SZ NRW
Kalte Hand im Genick
Nach dem 1:1 gegen Kaiserslautern steckt Arminia Bielefeld wieder im Abstiegskampf
Bielefeld – Furcht ist eine Empfindung, die ganz unterschiedlich verarbeitet werden kann: durch Aggression, demonstrative Gelassenheit oder erhöhte Vorsicht. „Jetzt hat hoffentlich jeder begriffen, was die Stunde geschlagen hat“, sagte Arminia Bielefelds Torwart Mathias Hain nach dem 1:1 gegen den 1. FC Kaiserslautern, und fügte grimmig hinzu: „Auf dem Platz hat man das leider nicht gesehen.“ Trainer Benno Möhlmann war bemüht, die Sache moderater zu sehen: „Ich verbuche den Punkt auf der Habenseite“, verkündete er trotzig, derweil Kapitän Bastian Reinhardt forderte, dass „wir eine Schippe drauflegen und sich jeder fragt, ob er derzeit das Optimum leistet“.
Drei Aussagen, ein Gedanke: Die Bielefelder sind zurück im Abstiegskampf, und sie wissen es. Nach dem letztlich schmeichelhaften Remis gegen die an allen Abgründen entlang taumelnden Pfälzer blickten die Bielefelder Offiziellen düster auf die Tabelle, die Spieler erkundigten sich nach den Resultaten der Konkurrenz, und was sie da hörten, hat ihnen nicht gefallen. „Auch wenn wir nach wie vor auf Platz zwölf stehen“, sagte Reinhardt, „sind wir wieder voll unten drin“.
Dabei schien noch vor zwei Wochen über Ostwestfalen die Sonne, nach einem verdienten 0:0 gegen den FC Bayern und sechs niederlagenfreien Bundesligaduellen in Serie, womit die Arminia einen neuen Klubrekord aufgestellt hatte. Es folgte ein 0:2 in Wolfsburg, und urplötzlich waren aus sechs Spielen ohne Niederlage vier Spiele ohne Sieg geworden. Mittlerweile sind es schon fünf Partien ohne Erfolgserlebnis, und das hört sich allmählich bedrohlich an, zumal die Bielefelder nun bei Hertha BSC, gegen den VfB Stuttgart und auf Schalke antreten müssen. „Der Druck wird größer", hat Reinhardt erkannt, und sein Keeper Hain forderte ultimativ „ein Ende der Schönspielerei“. Mit liebem Gruß an die Offensive.
Tatsächlich ließen die Gastgeber Zielstrebigkeit und jenes optimale Ausschöpfen der eigenen Möglichkeiten vermissen, das sie zu einer Überraschungsmannschaft dieser Saison gemacht hatte. Verlief die erste Halbzeit mit Treffern von Lokvenc (27.) und Reinhardt (35.) noch auf dürrem Niveau ausgeglichen, so konnte einem über weite Strecken der zweiten bange um die Arminia werden. Auf einmal trat Kaiserslautern nicht mehr als desperater Abstiegskandidat auf, sondern als ein Team, dem es zumindest für 15 bis 20 Minuten gelang, alle Sorgen und Nöte zu vergessen und Fußball als lustvolle Angelegenheit zu zelebrieren. Eine Phase, in der die verschreckten Aufsteiger „das Kaninchen vor der Schlange gaben“, wie Bastian Reinhardt beobachtet hatte. Nur die normative Kraft des Faktischen und die Abmessungen des Torgestänges verhinderten einen Pfälzer Sieg, und so trafen Lokvenc und Klose nur Pfosten und Latte, weshalb die Lauterer, was ihre Zukunft angeht, so schlau waren wie zuvor.
Pflichtschuldigst echauffiert
Und die Bielefelder? Nur pflichtschuldig echauffierten sie sich über jenen Strafstoß, den ihnen Referee Koop nach einem Foul von Harry Koch an Artur Wichniarek versagt hatte. Danach waren sie wieder ganz mit sich und ihren eigenen Problemen beschäftigt. Und ihrer Furcht. Beinahe schien es, als hätte ihnen eine kalte Hand ins Genick gegriffen und auf hinterhältige Weise daran erinnert, dass diese Spielzeit immer noch ein schlimmes Ende nehmen kann. Dabei war es weniger das Resultat als vielmehr der Spielverlauf, der den Akteuren zusetzte. „Ich kann mich nicht erinnern“, sinnierte Mathias Hain, „mal in einer Halbzeit so vorgeführt worden zu sein.“
Es war nicht zuletzt ein Mangel an Courage, den Hain beklagte. Die Botschaft der Statistik ist schnell in den Köpfen der Spieler angekommen. Vierzehn Tage nach dem selbstbewussten Auftreten gegen die Bayern haben sie die Rolle als nun schon länger sieglose Elf verinnerlicht, von breiter Brust keine Spur. Um aus diesem Tief herauszukommen, hilft nur „Handwerk“ (Reinhardt), um, wie Coach Möhlmann hofft, „am letzten Spieltag im Heimspiel gegen Hannover den Klassenerhalt unter Dach und Fach zu bringen“. So sah der Masterplan zu Saisonbeginn aus. Dass sich daran nichts geändert hat, ist nun auch dem Letzten in Bielefeld klar.
Jens Kirschneck
http://www.sueddeutsche.de