Hamburger Abendblatt:
Der HSV bringt sich in Bedrängnis
Hackmann gibt Indiskretionen im Fall Butt zu - Barbarez stoppt Verhandlungen
Hamburg - Ob er in Bielefeld am Sonnabend spielen kann? "Klar", sagt Sergej Barbarez, der noch an einer Bänderdehnung laboriert, und lächelt dann: "Es ist schon wieder besser." Einer der wenigen freudigen Momente des Bosniers, dessen Vertragsverhandlungen beim HSV so abrupt unterbrochen wurden.
Lächeln kann der Stürmer über seine Vertragssituation nicht. Stets um Diskretion bemüht, wollte er vermeiden, dass in der Öffentlichkeit sein mögliches neues HSV-Gehalt diskutiert wird.
War wohl nichts. Denn trotz aller schnell getroffenen Vertrauensbekundungen der Gesprächspartner kam es anders. Nur einen Tag nach der Verhandlung musste der Bosnier morgens am Frühstückstisch die detaillierten Zahlen aus der Zeitung erfahren. Der HSV, der spätestens seit den gescheiterten Verhandlungen mit Torhüter Jörg Butt bei den Spielern jegliches Vertrauen verspielt hat - auch damals gelangten genaue Zahlen an die Öffentlichkeit - hat sich erneut durch sein unprofessionelles Verhalten in Bedrängnis gebracht. "Mit derartigen Indiskretionen schadet der Verein nicht nur dem Spieler, sondern sich selbst auch", sagt Barbarez-Berater Jörg Neubauer, dessen Klient am Erscheinungstag seiner Vertragsinhalte jegliche Verhandlungen stoppte. Dass nicht der Berater selbst die besagten Zahlen lancierte, erscheint logisch. Neubauer: "Der Druck von außen auf den Spieler wächst dadurch doch nur." Der Berater schaut sich jetzt sogar nach einem anderen Verein um. "Das ist ja seine Aufgabe", sagt Barbarez, der gleichzeitig betont, bei einem passenden Angebot in Hamburg bleiben zu wollen.
Dennoch stellt sich mal wieder die Frage, wer beim HSV geplaudert hat. Fakt ist: Die besagte Verhandlung fand telefonisch mit Sportchef Dietmar Beiersdorfer statt, der die Zahlen vorher nur mit den Vorstandskollegen Werner Hackmann und Christian Reichert abgestimmt hatte. Dem Aufsichtsrat waren die Zahlen nicht bekannt.
Wer wars? Die Vorstandsmitglieder dementieren. Beiersdorfer: "Die Zahlen sind nicht identisch. Wenn das der Fall gewesen wäre, hätten wir uns ernsthaft Sorgen machen müssen. Ich glaube auch nicht, dass von uns jemand Interesse haben könnte, so etwas zu lancieren." Auch Hackmann dementiert: "Aus dem Vorstand sind keine Zahlen öffentlich gemacht worden. Es sind Spekulationen."
Dennoch ist das Vertrauensverhältnis zwischen einem verhandelnden Spieler und dem Vorstand seit dem Fall Butt angespannt.
Und das zu Recht. Denn dort gab es, wie das Abendblatt jetzt erfuhr, tatsächlich die vom Verein damals stets heftig dementierten Indiskretionen. Butt hatte in Verhandlungsrunden mit dem damaligen Trainer Frank Pagelsdorf, dem damaligen Sportchef Holger Hieronymus und Hackmann um Verschwiegenheit gebeten. Trotzdem wurden Inhalte öffentlich.
Der Torhüter brach die Verhandlungen daraufhin enttäuscht ab und wechselte unter den Pfiffen der von den Dementis des HSV getäuschten Fans zu Bayer Leverkusen. Heute gibt Hackmann zu: "Ja, es gab Indiskretionen im Fall Butt", und grenzt den Kreis der Verdächtigen sogar ein: "Aber nicht aus dem Vorstand." Es sei jemand gewesen, der heute nicht mehr für den HSV arbeitet. Klar, wen er damit meint . . .
erschienen am 23. Okt 2002 in Sport
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