Kolumne "Hängende Spitze"
Stoppt Hollerbach!
Es gab mal eine Zeit, da durften Buben nicht weinen, und Mädchen mussten mit Puppen spielen. Als sie dann heranwuchsen, haben sich die Buben für Raufereien, schnelle Motorräder und schöne Mädchen interessiert, während die Mädchen alles lernten, um den großen Buben das Leben so schön wie nur möglich zu machen. Und als sie richtig erwachsen waren, sind die Buben hinausgezogen in die feindliche Welt und haben gelernt, die Ellenbogen auszufahren, um möglichst viel Geld zu verdienen und den erwachsenen Mädchen ein schönes Leben zu bieten. So war das, und manche sehnen sich nach dieser wunderbar einfachen Welt, in der alles so geordnet schien wie die Kissen mit den Hasenohren auf dem Sofa.
Für solche Leute ist es ein Glück, dass es noch immer Bernd Hollerbach gibt.
Der stramme Verteidiger des Hamburger SV ist ein Prachtexemplar von einem Fußball-Macho; er ist die Kampfansage an alles, was hier zu Lande als „Spaßgesellschaft“ oder „verweichlichte Generation“ firmiert. Bernd Hollerbach war mal Deutschlands bester Metzgerlehrling. Er fährt mächtige Motorräder, liebt schöne Schauspielerinnen und Models. Und auf dem Fußballplatz ist er ein rechter Haudrauf und bekommt auch noch viel Geld dafür, was beides zusammen in der Welt Darwins als Aphrodisiakum gilt. Am Samstag hat Hollerbach die elfte Gelbe Karte in dieser Saison gezeigt bekommen – eine mehr als das ähnlich rücksichtslose Schalker Raubein Tomasz Hajto. Und als sich sein Opfer, der kleine Dortmunder Fußball-Mozart Tomas Rosicky, über die schmerzhafte Ellenbogen-Attacke beklagte, die ihm das Nasenbein hätte brechen können, da hat Hollerbach gesagt, er sei diese „Heulerei“ Woche für Woche leid.
Das ist ein klares Wort, und es mag Typen wie Uwe Klimaschefski gefallen, der in den sechziger Jahren als säbelbeiniger Rambo die Gegner malträtierte und später als Trainer den Platzwart von Homburg zwecks Zielschießen an den Pfosten band. Oder einem wie Franz Beckenbauer, der ohne den rustikalen Putzer Georg „Katsche“ Schwarzenbeck an seiner Seite nie der „Kaiser“ geworden wäre. Anhänger einer zivilen Gesellschaft aber haben in diesen ohnehin kriegerischen Zeiten nur einen Wunsch – stoppt Hollerbach!
Jörg Marwedel