Die Stimmung wurde durch das arrogante Verhalten einiger Ordner recht aufgeheizt, und so ergab ein Wort das andere. Zwei Fans mussten nach Pöbeleien gegen die Ordner das Stadion wieder verlassen, ihre Eintrittskarte wurde einfach zerrissen. Einigen Leuten muss man nur etwas Uniform-ähnliches geben, und sie drehen vollkommen am Rad. Die Rostocker Ordner sahen aus wie eine Sondereinheit der Streitkräfte. Einem weiblichen BVB-Fan wurde der Eintritt verwehrt, weil sie einen Hansa-Rostock-Schal trug, den sie im Fanprojekt getauscht hatte. Auch ihr wurde die Karte abgenommen und zerrissen. Was sind das eigentlich für Stasi-Methoden, Herr Friedrich?
Die Fahnen und Doppelhalter mussten wir an einem Container deponieren. Dort wollte man jedoch nicht die Anzahl der abgegebenen Fahnen/DH bestätigen. Das dürfe man nicht und werde es deswegen auch nicht tun, war die lapidare Antwort. Also wurden die Fahnen/DH in drei großen Paketen im Container abgestellt und wir erhielten lediglich drei Quittungen für mehr als 100 Fahnen und Doppelhalter. Ich frage mich wirklich, was diese Leute anstellen, falls sie jemals international gegen italienische Vereine oder gar Roter Stern Belgrad spielen sollten.
Am Einlass wurden übrigens auch kleinen Kindern die gekauften Fahnen abgenommen. Selbst, wenn die Tücher an Holzstangen befestigt waren. Die waren dann aber statt des vorgeschriebenen Meters, eben 1,20m lang. Einfach lächerlich, wie sich die Herren Ordner am Eingang verhielten. Für die kleinen Kinder ist so etwas sicherlich absolut unverständlich.
In Rostock scheint es für die Spezialordner auch ein Spezialgesetz zu geben. Oder wie ist es zu erklären, dass Ordner die Personalien von Fans aufnehmen dürfen? Eigentlich ist es nur der Polizei erlaubt. Nur, wenn es ausdrücklich von einem Fan erlaubt würde, könnte der Ordnungsdienst dies tun. Eine Aufklärung über diesen Sachverhalt muss dann durch die Ordner zwingend erfolgen. In den Fällen, die ich beobachtete, war das aber nicht der Fall. Mir fehlten einfach die Worte, und bevor mir der Kragen platzte, betrat ich lieber den Block.
Erstmals – aufgrund der guten Erfahrungen der letzten Jahre – war der Gästeblock gut gefüllt, und wir konnten etwa fünf Fan-Busse aus Dortmund und Umgebung zählen. Zwei davon parkten plötzlich zwischen erstem und zweitem Einlass vor dem Gästeblock. Die anderen Busse waren jedoch nicht hereingeholt worden. Auf den ersten Blick konnte sich niemand einen Reim darauf machen.
Im Block hatten sich mal wieder alle Supporters und Desperados im unteren Teil versammelt. Nach kurzer Beratung beschlossen wir, nach oben unters Dach zu gehen, um den Schall auszunutzen. Leider gingen wir viel zu weit nach oben, so dass man durch eine Stufe und Geländer vom Rest des Blockes regelrecht getrennt wirkte. Die Stimmung war anfangs recht gut, aber irgendwie gelang es nur sehr selten, den Block zum mitmachen zu animieren. Der neueste Hit („Can’t take my eyes off of you!“-Cover) erfreut sich zwar großer Beliebtheit, aber die Frage muss gestellt werden, was das eintönige „lalala“ der Mannschaft bringt? Meiner Meinung nach ein gutes Lied, um zu feiern oder ein sinnlos schlechtes Spiel schön zu singen (Bochum), aber Auftrieb dürfte es der eigenen Truppe kaum geben.
Während des Spiels versuchte Gerrit noch den Nachbarblock zu animieren, aber die Rostocker wollten partout keine BVB-Lieder mitsingen. Irgendein jüngerer Fan versuchte sich unten im Block auf der Mauer.
Wie dem auch sei, in der Halbzeit entschieden sich fast alle, wieder nach unten zu gehen. Schon vor dem Spiel hatte ein sturzbetrunkener Rostocker nebenan immer wieder zu uns rüber gepöbelt, und zum Ende des Spiels wurde es immer schlimmer. Jetzt gesellten sich auch andere Gestalten zu ihm, und irgendwann flogen die ersten Bierbecher zu uns rüber. Die betrunkene Mutation gab nun alles und zündete eine BVB-Fahne (woher hatte er die denn?) an und warf sie zu uns in den Block. Danach eskalierte die Situation etwas. Becher flogen hin und her. Einige ganz Mutige traten gegen die Scheiben und forderten die Rostocker auf, rüber zu kommen. Nun trat das „Sonderkommando Friedrich“ auf den Plan und betrat den Block. Die Ordner nahmen an der Glaswand (auf unserer Seite) Stellung, und ein ganz wichtiger unter ihnen legte sich für jeden sichtbar seinen Mundschutz an. Auf die Frage, wen er damit denn jetzt beeindrucken wolle, fiel ihm nur ein böser Blick ein. Auf der anderen Seite erschienen ein paar jüngere Ordner, die aber nicht richtig einschritten.
Kurze Zeit später war das Spiel zu Ende. Wir verließen das Stadion. Auf dem Weg nach draußen wurde von den Rostockern, die nebenan gesessen hatten, weiter über den Zaun zu uns rüber gepöbelt und großspurig Schläge angedroht. Leider stiegen einige Dortmunder darauf ein und pöbelten munter zurück (natürlich nur hinter dem sicheren Zaun). Der Brandstifter wurde unterdessen von zwei Ordnern vernommen, die auch gleich seine Personalien aufnahmen. Eine Dortmunderin machte bei einem der Oberordner eine Aussage zu der Fahnengeschichte. Als ich sie fragen wollte, was denn los sei, kam Mr. Mundschutz und knurrte mich an, wie ein liebestoller Pitbull. Witziges Kerlchen irgendwie. Ich machte mich dann auf den Weg zum Container, um die Fahnen/DH abzuholen.
Plötzlich hörte ich von vorne lautes Geschrei. Eine große Menge BVB-Fans rannte durch die schmalen Eingänge zurück auf den Gästeblock-Vorplatz. Soweit ich sehen konnte, stürmte eine größere Gruppe Rostocker (beileibe nicht nur Hooligans) den Eingang und trieb die Dortmunder vor sich her. Einige Dortmunder begannen nun sich gegen die Angreifer zu verteidigen und schlugen diese offensichtlich in die Flucht. Wo war die Polizei? Die zog sich gerade auf dem Vorplatz in aller Ruhe um. Vor dem Eingang fanden sich einige wenige Polizisten ein und versuchten die beiden Gruppen auseinander zu halten.
Nach einigen Minuten hatte sich alles beruhigt, und die Polizei konnte dann auch gemächlich raus vor den Gästeblock und sich zwischen Rostocker und Dortmunder postieren. Ganz schön clever erst dann raus zu kommen, wenn alles vorbei ist. In meinen Augen haben die Sicherheitskräfte hier absolut versagt. Durch das aggressive Verhalten neben unserem Block hätten sie vorgewarnt sein müssen. Doch nichts dergleichen geschah. Die Rostocker Randalierer durften schalten und walten, wie sie wollten. Ein Dortmunder, der sich gegen die Angreifer verteidigte, wurde verhaftet, ein anderer lag blutüberströmt an der Seite. Ihn hatte es offensichtlich übel erwischt.
Man muss kein Prophet sein, um sich die folgenden Reaktionen vorzustellen. Die Dortmunder, die der Polizei bekannt sind und sich vorne schützend vor die vielen normalen BVB-Fans stellten, die sonst niemals durch die schmalen Eingänge hätten flüchten können, werden nun mit Stadionverboten und Anzeigen wegen Landfriedensbruch rechnen müssen. Sicherlich sind einige von ihnen nicht immer unbescholten gewesen während ihrer „Karriere“ als Fußballfans. Sie aber nun für diese Vorfälle zur Verantwortung zu ziehen, wäre sicherlich nicht nur in meinen Augen eine Farce. Was hätten sie denn in diesem Augenblick anderes tun können als sich zu verteidigen und die Angreifer zurück zu drängen? Es war keine Polizei da, um die Angriffe der Rostocker zu verhindern. Büßen müssen dafür wie immer wohl andere...
Einige jüngere Dortmunder sollten sich übrigens mal Gedanken darüber machen, ob es richtig ist, hinter der schützenden Glaswand und dem Zaun die Gegner anzupöbeln, ihnen Schläge anzudrohen, um dann als erste durch die Durchgänge zu flüchten und andere Fans in Gefahr zu bringen.
In meinen Augen trugen Polizei und Ordnungsdienst, die in keiner Sekunde deeskalierend wirkten, die Hauptschuld am Geschehen während und nach dem Spiel. Warum werden Leute nicht aus dem Block gezogen, die Gegenstände in den Gästeblock werfen und ständig provozieren? Gleiches gilt dann natürlich auch für unseren Block. Der Irrwitz mit den Holzstangen sollte auch mal überdacht werden. Schließlich wurden gerade diese Holzstangen gerne abgebrochen und nach uns geworfen. Durch den Bruch sind diese Stücke schön spitz und nicht wirklich ungefährlich. Man soll mir sagen, wie man das mit einem Stück Plastikrohr machen soll. Aber Hauptsache man hat eine absolut unsinnige Bestimmung knallhart durchgezogen und sich den Gästen gegenüber so feindselig wie möglich verhalten.
Nach diesem Zwischenfall wurden die nettesten Gerüchte laut. Überall sollten nun Horden von Rostockern und Berlinern (BFC Dynamo-Hooligans sollen vor Ort gewesen sein) auf uns warten. Daher hatten viele etwas Angst, den Block alleine zu verlassen, um zum Auto oder Bus zu kommen. Einzig Fanne zog mit ein paar befreundeten Rostocker Ultras zum Fanprojekt und trank dort mit ihnen, den Sturmvögeln und Suptras noch ein, zwei Bierchen. Wir anderen hatten uns von der Panik anstecken lassen und blieben auf dem Vorplatz.
Irgendwann stellte ein Mitfahrer fest, dass auf der Liste der Polizei nicht alle Busse aufgeführt waren. Die Busse der Away Sups Werdohl, Krombacher Freunde und Borussen-Bulldogs standen nach seiner Aussage nicht auf der Liste der Busse, die auf den Vorplatz gestellt werden sollten. Warum ausgerechnet diese drei Busse nicht? Warum sollten sich ausgerechnet die Vielfahrer durch den Rostocker Mob zu ihren Bussen schlagen? Nach einigen Diskussionen wurden jedoch auch diese Busse von der Polizei bereitgestellt. Einzig der Bus der Bulldogs fuhr noch nicht ab, da einer der Insassen beim Angriff der Rostocker verhaftet worden war. Man erklärte sich solidarisch und war nicht eher bereit abzufahren, bis er von der Polizei auf freien Fuß gesetzt wurde. Nach einigem hin und her und einem Telefonat mit den Dortmunder szenekundigen Beamten, wurde versichert, dass er unterwegs eingesammelt werden könne. Der Bus konnte abfahren, und wir anderen machten uns zu Fuß auf dem Weg zum Auto.
Unterwegs passierte gar nichts mehr. Wir begegneten ganzen zwei Rostockern. Das Auto war auch noch da, und wir fuhren zurück in Richtung Fanprojekt, um uns mit den Rostockern zu treffen. Diese trafen auch bald ein und brachten unseren Fanne gleich mit. Der hatte uns schon die ganze Hinfahrt damit begeistern können, dass wir Fußballfans sind und keine Geburtshelfer. Auch die Rostocker kannten diese Lebensweisheit nun zu Genüge.
Um uneingeschränkte Solidarität zu zeigen, hielten wir auf dem Weg zu unseren Behausungen noch beim „goldenen M“ an und aßen eine Kleinigkeit. Unterwegs hatte es zu regnen begonnen. Regen? Ach was, es schüttete wie aus Kübeln. Als wir endlich an unseren Hütten angekommen waren und unser Handgepäck entladen hatten, waren wir platschnass.
Die Hütten in Markgrafenheide sind übrigens richtig geil. Zwei Geschosse mit Platz für sechs Personen., Dusche, Heizung, Fernseher und ein Kühlschrank. Was will man mehr?