Die von mir sonst sehr geschätzte "Frankfurter Rundschau" brachte heute diesen Kommentar:
>>>
EINWURF
Unten und oben
Von Jan Christian Müller
Es ist eine ganze Menge genörgelt worden, auch an dieser Stelle, über das, was die beiden Fußball-Bundesligen dem geneigten Publikum in dieser Saison geboten haben. Das liegt unter anderem daran, dass die Bayern nicht gut genug für Europa, aber dafür zu gut für Deutschland waren, weil die vermeintlichen Verfolger Dortmund, Hertha und Schalke allzu oft so gespielt haben, als seien sie zum Aufwärmen beim Anästhesisten gewesen.
Zum Glück aber gibt es hier zu Lande (noch) eine ernst zu nehmende Zweite Fußball-Bundesliga, die dem übertragenden Deutschen Sportfernsehen (DSF) etwa vor zwei Wochen mit 2,5 Millionen Fernsehzuschauern beim Livespiel zwischen Mainz 05 und der Frankfurter Eintracht eine erstaunliche Quote bescherte. Geschickt haben es die Trainer beider Clubs geschafft, ihre Mannschaften zum Halali gerade so oft treffen zu lassen, dass sie vor den finalen 90 Minuten der Serie gerade ein einzige, mickriges Törchen im Kampf um den dritten Aufstiegsplatz trennt. Zum Vergleich die Spannung an der Spitze im Oberhaus: Dort haben die Bayern 18 (!!!) Punkte und 22 Tore Vorsprung vor Borussia Ich-spiel-mal-lieber-quer Dortmund, gar 19 Zähler und 34 (!!) Tore vor dem VfB Ich-hab-jetzt-keine-Kraft-mehr Stuttgart.
Und: In Liga zwo geht es bei den drei den Aufstieg entscheidenden Spielen zwischen Eintracht Braunschweig und Mainz, Eintracht Frankfurt und Reutlingen sowie Karlsruher SC und Greuther Fürth auch jeweils um den Kampf um den Klassenerhalt. Zittern wie Espenlaub unten und oben, schlotternde Knie, Nerven, gespannt wie Drahtseile, die ganze Bandbreite des Kitzels, den der unnachahmlich sympathisch breit grinsende Mainzer Trainer Klopp so gern in der Magengegend verspürt: Im Park kicken bringt keinen Spaß, hat Klopp am Sonntag gesagt, da kann gewinnen, wer will und niemanden interessiert es, so was reizt ihn nicht. Die Zweite Bundesliga aber - sie wird am kommenden Sonntag Millionen Menschen zu Nervenbündeln mutieren lassen.
Aber sie läuft auch Gefahr, im kommenden Spieljahr mausgrau daher zu kommen: Dann nämlich, wenn die Eintracht aufsteigt und die namenlosen Ostwestfalen aus Bielefeld neben Cottbus und Nürnberg absteigen müssen. Ohne Aue, Regensburg, Unterhaching und Osnabrück zu nahe zu treten: Aber wenn sie - wie erwartet - von unten dazu kommen, ist das Provinztheater komplett. Das DSF wird sich auf kleine Quoten einstellen müssen.
<<<
Habe soeben folgenden Leserbrief abgeschickt und hoffe, er wird veröffentlicht!:
>>>
Nichts gegen den Lokalpatriotismus eines in Frankfurt arbeitenden Sportjournalisten, aber das geht zu weit, Herr Müller! Auch als Bielefelder, den es vor 14 Jahren in diese Gegend verschlagen hat, kann ich dem spannenden Kampf in der 2. Liga um den dritten Aufstiegsplatz durchaus etwas abgewinnen und freue mich auf den Sonntag. Aber dass Sie die 2. Liga der nächsten Saison und den übertragenden Fernsehsender für den Fall bedauern, dass die Eintracht aufsteigen sollte und neben Cottbus und Nürnberg die „namenlosen Ostwestfalen aus Bielefeld“ absteigen sollten, ist des guten zu viel. Immer wieder ist Ihrer Berichterstattung (und der Ihres Kollegen K.) zu entnehmen, dass Sie die Arbeit der kleineren, engagierten und beliebten Vereine aus anderen Regionen nicht besonders schätzen. Arminia Bielefeld hat wie Energie Cottbus und der 1. FC Nürnberg sehr viele Anhänger und war in den letzten 10 Jahren übrigens erfreulicherweise nicht schlechter als Eintracht Frankfurt (3 Aufstiege, 2 Abstiege vs. 1 Aufstieg, 2 Abstiege). Sollte die Eintracht am Sonntag diese Bilanz verbessern können, sei dies ihren Fans gegönnt. Aber dass ein Sportjournalist solche Entwicklungen ignoriert, kann ich mir eigentlich nur damit erklären, dass er hinter seiner Vereinsbrille weiter von der Deutschen Meisterschaft von 1959 träumt.
<<<