Jens Spahn von der CDU hat ja markig erklärt, dass dann eben das Grundgesetz geändert werden müsse, wenn das Bundesverfassungsgericht die Sanktionen gegen Totalverweigerer kippen würde. Das hieße - nach den beiden oben gefetteten Sätzen - nichts anderes, als Artikel 1 des Grundgesetzes ändern zu wollen ("Die Würde des Menschen ist unantastbar"), was schlichtweg nicht möglich ist (Ewigkeitsklausel des GG dafür). Man kann Jens Spahn zugute halten, dass das wirklich nur heiße Luft war. Bei der AfD muss man Aussagen, die das Grundgesetz in Frage stellen, nach dem letzten Geheimtreffen in Potsdam dagegen endgültig ernst nehmen.
Wenn sich Arbeit im Vergleich zum Bürgergeld nicht lohnt, dann liegt es nicht am Bürgergeld, sondern daran das Arbeit zum guten Teil nicht angemessen bezahlt wird bzw. die steuerlichen Lasten schlecht verteilt werden. Seit Jahrzehnten wird das Geld von unten und aus der Mitte nach oben geschaufelt. Mittlerweile ist dabei ein kritischer Punkt erreicht. Die unteren Schichten haben Existenzängste oder längst aufgegeben. Die Mittelschicht und auch der Mittelstand haben Abstiegsängste und das obere eine Prozent besitzt etwa 33% sämtlicher Werte in diesem Land. Daran ändert auch der größte Fleiß nichts dran. Es sind die wenigsten die hier einen sozialen Aufstieg schaffen, wenn die Gesamtentwicklung in die andere Richtung kippt. Es wäre die historische Aufgabe der SPD daran etwas zu ändern, aber weder bei der Abschaffung der kalten Progression, noch beim historisch niedrigen Spitzensteuersatz, noch bei der Kapitalertragsteuer, die häufig niedriger ist als die Steuer auf geleistete Arbeit tut sich etwas ... und bei den anderen Parteien tut sich in der Hinsicht auch nichts, sofern man nicht ganz weit nach links abrutschten will. Die breite Masse in diesem Land, die sich etwas aufgebaut hat oder aufbauen will ist in der Politik völlig unterrepräsentiert. Diese täte gut daran ein Gleichgewicht zwischen nicht funktionierender sozialistischer Gleichmacherei und den ausufernden sozialen Gefällen einer überzogenen liberalen Marktwirtschaft zu suchen, um den sozialen Kitt zu erhalten. Das wäre auch im Sinn der wohlhabendsten, die letztlich an dem Ast sägen auf dem sie sitzen.
Unter diesen Gesichtspunkten kann man den allgemeinen Frust an der etablierten Politik absolut verstehen. Zumal man sich früher damit trösten konnte, dass in Deutschland ansonsten immerhin alles gut funktionieren würde, weil die Infrastruktur in Ordnung ist und die Verwaltung ihre Aufgaben bewältigt. Aber diese Sachlage ist durch die Verwaltungsmentalität der Merkel-Ära ja auch nicht mehr gegeben. Man hat in derselben Zeit in der die Geld nach oben geschafft wurden öffentlich auch noch auf Verschleiß gelebt. Früher gab es Millionen arbeitslose Fachkräfte. Heute gibt es Fachkräfte-Mangel, weil einfach zu viel liegen geblieben ist. Das ist ironischer Weise die Politik der CDU gewesen, die auch ihrer Aufgabe im System nicht nachgekommen ist und bis heute nicht nachkommt. Das die FDP in erster Linie Politik für das eine Prozent macht ist letztlich auch nicht neu.
Leider lässt sich dieser berechtigte Frust viel zu leicht in die falsche Richtung kanalisieren und gegen vermeintliche Fehlausgaben und "Schmarotzer" anheizen. Die Grünen leisten dem leider ausdrücklich Vorschub, indem diese sich den sachlichen berechtigten Kritiken bei sensiblen Themen verweigern und sich nun einer entsprechenden Überreaktion ausgesetzt sehen. Wobei man nicht glauben braucht, dass die Überreaktion irgendetwas Gutes bewirkt. Die Fronten verhärten sich, die Bevölkerung radikalisiert sich und extremistische Parteien, wie die AfD bekommen massiven Aufwind. Ist die AfD radikal? Dazu ein klares JA! Deren politischen Ziele, zu denen mehr oder weniger offen gestanden wird, lassen sich in letzter Konsequenz nur mit Gewalt nach innen und nach außen durchsetzen. Das sollte jedem bewusst sein, der die Nummer zu Ende denkt. Die AfD wird dem Mittelstand und auch den sozial schwachen Schichten auch keinen Nutzen bringen, weil es der Produktivität schadet (die Light-Variante kann man beim Brexit beobachten), technologischen Rückschritt bedeutet und auch ganz direkt weiter Geld nach oben schaufelt, weil die zurückgehenden Sozialausgaben sicherlich die anderen Kosten nicht wird auffangen können. Zum Beispiel beim von der AfD geforderten massiven Import von fossilen Energieträgern, denn bis auf Braunkohle gibt es diese in Deutschland kaum.
Wenn man sachlich an das Thema Politik herangeht kann man eigentlich nur verzweifeln. Die etablierten Parteien machen ihre Hausaufgaben nicht, die darin besteht alle Teile der Bevölkerung zu repräsentieren und die "Alternativen" sind zum größten Teil eine Katastrophe. Aber eines sollte man ganz deutlich betonen. Wenn das Ding vor die Wand fährt und Erinnerungen an die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts wach werden, dann kann niemand behaupten er habe nicht wissen könne, was er auf dem Wahlzettel veranstaltet. Die Fakten, gerade auch zu den radikalen Kräften liegen offen auf dem Tisch. Jeder der es sehen will, der kann es auch sehen. Trotz aller sachlichen Probleme, über die man inhaltlich berechtigt streiten kann. Diese sind halt oft nur zu trocken, um damit die Massen bewegen zu können. Wer geht schon wegen der kalten Progression auf die Straße?
Meine große Befürchtung ist nur, dass wenn der große Knall kommen sollte, dass es der letzte gewesen sein wird, da wir an einem Punkt der Zivilisation angekommen sind, an dem wir durch Klimawandel und Ressourcenknappheit einige richtige Entscheidungen getroffen werden müssen, wenn die Nummer langfristig in die richtigen Bahnen gelenkt werden sollen. Ironischer Weise sind diese Entscheidungen langfristig sogar technisch und wirtschaftlich gewinnbringend. Abgesehen davon, dass die Daseinsvorsorge nicht einmal ein Preisschild brauchen würde, um sinnvoll zu sein. Einen großen Knall kann man sich da nicht leisten, aber blinde Wut, Frust und Kurzsichtigkeit sieht man leider dieser Tage an allen Ecken und Enden. Wobei der Frust verständlich ist. Im Gegensatz zur offenkundigen Blindheit.