Chronik einer angekündigten Scheidung
Was keiner wollte, nimmt Formen an: David Beckham vor Wechsel nach Madrid.
Madrid/Manchester. David Beckham und Alex Ferguson hatten schon immer alle Voraussetzungen, um sich aufs Bitterste zu verkrachen. Sie mochten sich mehr, als Trainer und Spieler sich gewöhnlich schätzen. „Ohne ihn wäre ich niemals, was ich bin“, sagte Beckham. „David ist ein liebenswerter Sohn, ich denke oft an seine Eltern und was sie alles für ihn taten“, schrieb Ferguson in seiner Autobiographie, und es klang durch, wie er sich sah: als Ersatzvater Beckhams. Mit 15 war Beckham auf Wunsch von Manchester Uniteds Trainer Ferguson allein aus London in den Nordwesten gezogen, um in der Fußballakademie von Englands größtem Klub zu lernen. Mit 18 gab ihm Ferguson sein Debüt im Profifußball. Der Rest ist Geschichte.
Wer dieser Tage versucht zu ergründen, warum Manchester United den berühmtesten – und einen der besten – Fußballer vermutlich an Real Madrid abgeben wird, stößt auf jede Menge widersprüchliche Informationen, auf viele Lügen, aber auf eine Gewissheit: Die Entfremdung zwischen Ferguson und Beckham ist der Kern der Trennung. Als Madrids Sportdirektor Jorge Valdano Ende März Reals Interesse öffentlich machte, war Beckham geehrt, aber sich auch sicher, dass er bei United bleiben würde. Schon als Zehnjähriger hatte er Uniteds Trikot getragen, wenn er in London zum Kindertraining des Ligakonkurrenten Tottenham Hotspur ging.
Ferguson dachte nicht daran, eine seiner Schlüsselfiguren zu verlieren, und für Uniteds Vorstand schien es undenkbar, einen Fußballer, der allein mehr Werbung und Aufmerksamkeit garantiert als die meisten Teams zusammen, an den größten internationalen Konkurrenten abzugeben. Doch seitdem vergeht kein Tag, an dem nicht in den Medien über einen möglichen Wechsel Beckhams spekuliert würde, und dabei entwickelte der Prozess eine solche Eigendynamik, dass Beckham, Ferguson und United nun wohl kriegen, was keiner wollte: die Scheidung.
Wie alle Welt schnappten natürlich auch Ferguson und Beckham jeden Tag neue Gerüchte über den anstehenden Vereinswechsel auf. Am Ende hatte Ferguson offenbar den Eindruck: „Beckham betreibt seinen Abgang. Dann soll er halt gehen.“ Und Beckham begann zu glauben: „Ferguson will mich loswerden. Dann gehe ich halt.“ Die Chance rauszukriegen, was der andere wirklich denkt, gaben sie sich nicht mehr: „Fergie redet schon seit Monaten nicht mehr mit David“, enthüllte Beckhams Vater Ted am Donnerstag mit Tränen in den Augen. Denn in ihrer Sturheit sind die beiden sich sehr ähnlich. So unterschiedlich sie in ihrer Lebensauffassung sonst auch sein mögen. Beckhams Faible für ausgefallene Kleidung und wechselnde Frisuren, seine Frau, Popsängerin Victoria, sein Spaß daran, Star zu sein, war Ferguson von jeher verdächtig. Es war der klassische Generationenkonflikt. Oft stauchte der Trainer Beckham rabiat zusammen, je älter er wurde, desto schwerer fiel es dem heute 28-Jährigen, die Schreierei zu ertragen. Doch bei all dem wussten sie immer noch, was sie aneinander hatten. Bis Madrids Valdano sagte: „Es sieht aus, als ob Beckham unser nächstes großes Projekt ist.“
Anfang April nahm Real Kontakt zu Beckhams Agent Tony Stephens auf. In Privatgesprächen versicherte der Agent jedoch, Beckhams Loyalität zu United sei größer. Ferguson hörte über Dritte von Stephens’ Geheimgespräch mit Real und witterte Verrat. Zur Strafe ließ er Beckham auf der Ersatzbank, als United im Viertelfinale der Champions League gegen Madrid spielte, eine sportlich unfassbare Entscheidung. Das wiederum interpretierte nun Beckham als Zeichen, dass ihn der Trainer nicht mehr schätzt. Seine Agenten meldeten sich wieder in Madrid: Man müsse ernsthaft reden.
Was bleibt, sind Versuche, die Schuld dem jeweils anderen zuzuschieben. Uniteds Vorstand steckt Journalisten Informationen, Beckhams Agenten hätten längst mit Real Vertragsdetails besprochen. Beckhams Agentur verbreitet Zitate von ihm, „meine Liebe zu United ist wie am ersten Tag“. Ferguson flippt aus, als er davon hört: Der verdammte Kerl wolle sich nur reinzuwaschen.
Noch versucht Real, die geforderte Ablöse von 45 Millionen Euro deutlich zu drücken. Noch kann, weil es Fußball ist, alles passieren. Aber im Prinzip ist der Wechsel beschlossen – zumindest innerlich, bei Beckham wie Ferguson. „Er ist ein phantastischer Spieler.“ – „Er ist ein großartiger Trainer.“ Damals meinten sie tatsächlich, was sie übereinander sagten. Es ist nur ein halbes Jahr her.