Ich bin ein positiv denkender Mensch"
Noch kein LR-Trainer hatte als Spieler so viele Erfolge gesammelt wie Stefan Kuntz. In jenem Beruf, den er nun bei LR innehat, fehlen ihm noch die ganz großen Meriten, sieht man vom Aufstieg mit dem Karlsruher SC in die Zweite Liga ab. Am Sonntag stand er der Sportredaktion der Glocke Rede und Antwort.
Die Glocke: Wie groß ist Ihr Anteil an der Zusammenstellung des derzeitigen Kaders, bezogen auf die bisherigen Neuverpflichtungen?
Kuntz: Mit Thiam wurde zwar schon vorher gesprochen, doch letztlich verpflichtet wurde er mit meinem Einverständnis, und weil er auch unter mir trainieren wollte. Im Falle Felgenhauer habe ich mich mit der Familie in Frankfurt getroffen, mit Brinkmann in Berlin. Bei Mamic lief alles über die Berater und Vereine, aber ihn wollte ich ebenso wie Wojtala. Und bei Saglik hat Manager Krug sich den Spieler noch einmal angesehen.
Die Glocke: Sind noch Wünsche offen geblieben?
Kuntz: Wie bekannt, hätte ich gern N'Diaye im Kader, aber da gibt es bisher nichts Neues. Ansonsten haben wir eine sehr gute Mannschaft, aber noch etwas zu viele Spieler. Nach dem zweiten Trainingslager werde ich aber reduzieren, auch wegen der besseren Übersicht.
Die Glocke: Wie sind Sie mit der Fitness Ihrer Spieler zufrieden?
Kuntz: Der Lactattest fiel normal aus. Wir haben eine größere Gruppe mit Spielern, die sehr gute Werte haben. Bei einigen sieht das etwas anders aus. Aber das ist nicht tragisch. Es geht ja darum, die Belastung im Training richtig zu dosieren. Nur von guten Lactatergebnissen lernt keiner mit dem Ball umzugehen.
Die Glocke: Sie haben bisher Mannschaften in der Zweiten Liga trainiert, deren Kader nicht mehr zuließ als das Ziel ,Klassenerhalt'. Jetzt betreuen Sie ein Team, dem sie selbst einen einstelligen Tabellenplatz vorgegeben haben. Macht das nur Spaß oder gibt es mehr Druck?
Kuntz: Das kann man so nicht sagen. Es ist eine andere Akzentuierung. Aber ich merke bei dieser Mannschaft, dass sie schneller das umsetzen kann, was ich möchte. Die Übungen werden schneller verstanden und ausgeführt.
Die Glocke: Sie haben schon bei Ihrer Vorstellung das Saisonziel ausgegeben, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch kein neuer Spieler verpflichtet war. Wussten Sie schon, dass Sie einen solchen Kader haben würden, oder war das, um ein anspruchsvolleres Ziel anzustreben?
Kuntz: Ich bin eben ein positiv denkender Mensch, und deshalb auch dieses Ziel. Aber es liefen ja auch schon viele Gespräche, bei denen es ganz gut für uns aussah.
Die Glocke: In Ihrem Kader haben Sie zahlreiche ausländische Spieler, von denen einige Probleme mit der deutschen Sprache haben. Bringt das Probleme?
Kuntz: Einige dieser Spieler können genügend deutsch. Andere, wie zum Beispiel Petar Djenic oder Jan Velkoborsky, werden durch verschiedene Aufgaben von mir zum Sprechen animiert. So mussten die Spieler am Samstag Abend jeweils etwas über einen anderen sagen. Und was da abgegangen ist, war schon Entertainment vom Feinsten. Also das Problem ist nicht zu groß.
Die Glocke: Ist die steigende Zahl an Ausländern ein Ursache für den immer unattraktiver werdenden Fußball der deutschen Nationalmannschaft?
Kuntz: Die Zeiten ändern sich. In Deutschland ist das Angebot für die Freizeitgestaltung viel größer geworden. Sie und ich hatten früher den Bolzplatz und viel mehr gab es nicht. Es gab kein Internet, Inliner, Gameboys etc. Und noch etwas kommt hinzu: Ich wollte einen jungen, talentierten Oberligaspieler holen, doch der hat mir abgesagt, weil er nicht von Zuhause weg wollte. Andererseits haben wir in unserem Kader junge, talentierte deutsche Spieler wie zum Beispiel Sebastian Bönig, Christian Mikolajczak oder auch Michael Ratajczak.
Die Glocke: Wie würden Sie ihren Trainerstil beschreiben? Kameradschaftlich oder autoritär, oder etwas von allem?
Kuntz: Das kann ich nicht beantworten, da müssen sie die Spieler fragen. Aber ich lege auf jeden Fall sehr viel wert auf Disziplin. Das haben die Spieler schon bemerkt. Einer ganz besonders, dessen Namen ich aber nicht nenne, der durfte auch schon bei einem Training nicht teilnehmen. Ich rege mich nicht darüber auf, wenn ein Spieler zu spät kommt. Das kann passieren. Aber dann muss er anrufen. Es geht nicht, dass man gar nichts sagt. Die Spieler haben auch eine Eigenverantwortung. Auch den Mannschaftskollegen gegenüber.
Die Glocke: Wenn Sie die Frage nach ihrem Stil nicht beantworten wollen, dann aber sicherlich doch die, welche Art Fußball Sie bevorzugen. Sie waren selbst Stürmer, haben jetzt aber bei der Kader-Zusammenstellung sehr darauf geachtet, dass man hinten gut und sicher steht.
Kuntz: Sicherlich möchte ich offensiven Fußball spielen lassen, aber ich habe auch gelernt, dass man Erfolg haben muss. Ich kann aber sicherlich versprechen, dass es bei mir kein Gebolze gibt.
Die Glocke: Warum sind Sie Trainer geworden?
Kuntz: Für mich stand fest, dass ich nach meiner Karriere als Spieler auf dem Platz bleiben muss. Ich wollte nicht zu weit weg. Schon gar nicht ins Fernsehen, um Leute so zu kritisieren, wie ich als Spieler nicht kritisiert werden wollte.
Die Glocke: Eine Spitze gegen Günter Netzer?
Kuntz: Nein. Es gibt Personen, die das kompetent machen, aber es ist nicht meine Art. Ich habe schon als Spieler gewusst, dass ich anschließend Trainer werden möchte, also habe ich mir schon viel aufgeschrieben. Manches konnte man natürlich wegwerfen, wie zum Beispiel die Devise ,Trockenbleiben', also in der Mittagspause nur ein Mineralwasser. Was habe ich damals auf dem Zimmer immer unter dem Wasserhahn gehangen. Ich habe gewisse Vorstellungen vom Fußball und die möchte ich auf dem Platz umsetzen.
Ich lese immer noch sehr viel über Training, bekomme dabei einen Input, den ich dann auf die Mannschaft bezogen umsetze. Es kommt auch Erfahrung hinzu. Am Anfang habe ich den Fehler begangen, zu viel Neues zu machen. Viele Spieler brauchen aber die Wiederholung. Das ist wichtig. Ich verstehe jetzt auch sensible Spieler. Ich war selbst einer. Für mich war es wichtig, dass das Umfeld stimmte. In Kaiserslautern war das zum Bespiel so. Es war gut, wenn man von den Fans angespornt wurde. In Bielefeld war ich immerhin schon 35 und ein gestandener Spieler, aber dieses Theater mit Middendorp und Lamm haben mich irgendwie blockiert . Deswegen bin ich selbst sehr bemüht, auch über die privaten Dinge der Spieler Bescheid zu wissen. Dann kann man manches besser verstehen.
Die Glocke: Sie kennen also auch die Geburtstage und ähnlich wichtige Fakten der Spieler?
Kuntz: Es muss jeder einen Zettel ausfüllen, auf dem ich gewisse Dinge abfrage. Ich will doch, dass Spieler sich für die Mannschaft interessieren. Dann muss ich mich doch auch für sie interessieren. Eben auch für ihre Probleme außerhalb des grünen Rasens. Das gehört dazu.
Die Glocke: Von welchem Trainer haben sie am meisten gelernt?
Kuntz: Eigentlich von jedem etwas.
Die Glocke: Haben Sie zu bestimmten Vereinen ihrer Spielerlaufbahn noch ein besonderes Verhältnis?
Kuntz: Sicherlich zu Kaiserslautern. Mein Vater spielte vor der Bundesliga noch beim Konkurrenz-Verein, durfte dann nicht zum FCK wechseln, weil man so etwas nicht tat. Deshalb wich er nach Neuenkirchen aus, dem einzigen Regionalligisten in der Nähe. Deswegen sind wir dorthin gezogen. Mein Bruder und ich sind die einzigen Saarländer in der Familie, von der die meisten eben noch in Kaiserslautern wohnen und deswegen habe ich dorthin eine besondere Beziehung.
|Die Glocke, 30.Juni 2003|
s.o. zum Thema Disziplin :
Ansgar (oder doch nicht er ?) lässt sich auch von Kuntz nicht verbiegen. Disziplin ist ... wenn mans trotzdem macht.