HSV-Fans verschaffen sich auf ungewöhnliche Art Gehör, um die Entlassung von Trainer Kurt Jara zu fordern
Dnjepropetrowsk - Die Spieler des Hamburger SV verkrochen sich nach ihrem peinlichen Auftritt und dem UEFA-Pokal-Aus bei Dnjepr Dnjepropetrowsk (0:3) in einer Ecke des Flughafens, um die Konfrontation mit den rund 300 mitgereisten Fans zu vermeiden. Trainer Kurt Jara indes baute sich alleine mitten im Terminal auf. In sich versunken, seinen Blick starr geradeaus gerichtet, ließ der Österreicher Wut und Enttäuschung, Hohn und Spott über sich ergehen: "Wir spiel'n nicht schön, wir spiel'n nicht toll, Kurtl, fahr' doch nach Tirol", sangen die Anhänger, und: "Dieser Fußball, der ist schlecht, dieser Trainer, der muss weg." Ihr Wunschkandidat kommt aus Stuttgart: "Felix Magath, du bist der beste Mann."
Die Profis hörten ebenfalls regungslos zu, keiner fühlte sich berufen, Jara beizustehen, Einigkeit zu demonstrieren, sich zu stellen. Sie ließen den Trainer im Stich, wie schon in den 90 Minuten zuvor, als die Hamburger vom Tabellenvierten der ukrainischen Liga vorgeführt wurden.
Aufgeregt lief Bernd Hoffmann durch die Flughafenhalle. Der Vorstandsvorsitzende bekniete Kapitän Nico-Jan Hoogma zu reagieren, besänftigend auf die wütenden Fans einzuwirken. Widerwillig stand der Niederländer auf, scharrte den Mannschaftsrat mit Marcel Maltritz, Bernd Hollerbach sowie Martin Pieckenhagen um sich und schlenderte auf die Fans zu, die sich indes nicht beruhigen ließen.
Kurz nach Mitternacht hob die Boeing 747 Richtung Lübeck ab, und im Flieger setzte sich die Demütigung fort. Die Fans waren zuerst eingestiegen, hatten sämtliche Kopfhörer eingesammelt, damit die Profis hören konnten, was man ihnen zu sagen hatte. Am härtesten traf es wiederum den Trainer: "Der Kurt hat heut' seinen Ausstand, drum gibt er einen aus." Der 53-Jährige selbst schließt einen Rücktritt offenbar nicht aus: "Wenn ich den Eindruck habe, ich kann nichts mehr bewegen, würde ich die Konsequenzen ziehen."
Während Trainer und Spieler in ihren Sitzen versanken, war Hoffmann bemüht, für Ruhe zu sorgen. "Wenn ihr etwas vorzubringen habt, dann tut es doch bitte in einem vernünftigen Ton", bat der Vorstandsvorsitzende - und wurde gekontert: "Was habt ihr denn vorzubringen? Ihr seid dran", entgegneten die aufgebrachten Fans. Jara müsse endlich verschwinden, zurück in die Alpen, wo er hergekommen sei, wurde Hoffmann aufgefordert, endlich zu handeln.
"Wenn man Dampf ablassen muss, dient der Trainer als erstes Ventil. Ich habe absolutes Verständnis für die Reaktion der Fans, sehe Jara aber nicht als Alleinschuldigen für das katastrophale erste Saisondrittel. Im sportlichen Bereich kann sich da keiner aus der Verantwortung stehlen", sagte Hoffmann. Dass die Mannschaft, von Jara auf- und eingestellt, zuletzt erschütternd schwach spielte, ist indes auch der Klubführung nicht verborgen geblieben. "Ich hätte nicht erwartet, dass wir in Dnjepropetrowsk wieder so schlecht sein würden wie in den Spielen. Das war an Peinlichkeit kaum zu überbieten", stellte Hoffmann fest: "Die Arbeit von einem Jahr und die Perspektive für einige Jahre haben wir uns von der Mannschaft zerlegen lassen." Das Erreichen der dritten Runde und damit drei Millionen Euro waren im Etat fest eingeplant.
Obwohl der HSV zuletzt mit viel Glück sieben Punkte aus drei Bundesligapartien holte, steht Jara nun auch intern in der Kritik. Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer: "Das Spiel haben wir nicht heute verloren, das hat sich schon in den Vorwochen angekündigt." Erreicht Jara die Mannschaft noch? Eine Frage, die sich auch die Verantwortlichen stellen. Die Antwort erwarten sie auf dem Platz, am Sonntag beim 1. FC Kaiserslautern.
Quelle:http://www.welt.de