Berlin - Hans Meyer scheint das tagelange Werben und Flehen von Dieter Hoeneß erhört zu haben und bürdet sich im Herbst seiner Trainerkarriere noch einmal eine wahre Herkules-Aufgabe auf. Der 61-Jährige soll für exakt fünf Monate das Amt als Cheftrainer beim abstiegsgefährdeten Fußball-Bundesligisten Hertha BSC Berlin übernehmen und dem Hauptstadtklub in den 17 verbleibenden Spielen die Klasse erhalten.
Einigung in den kommenden Tagen
"Eine Einigung kommt in den nächsten Tagen zu Stande", sagte der erfahrene Fußball-Lehrer am Sonntag der Berliner Morgenpost und bestätigte damit Mutmaßungen aus dem Hertha-Umfeld vom Vortag, dass er schon am Montag in Berlin vorgestellt werden sollte.
Mögliche Stolpersteine auf dem Weg zu einer Einigung schienen die noch bestehenden Vertragsverhältnisse von Meyer zu sein. Seit seinem Rücktritt am 1. März 2003 nach dreieinhalb Jahren als Chefcoach bei Borussia Mönchengladbach ist Meyer als Chefscout der Gladbacher und als DSF-Experte tätig. Dementsprechend scharf hatte sich Meyer noch am Sonntag gegen Vollzugsmeldungen gewehrt.
"Unglaublicher Vorschuss"
"Dass ich Gespräche mit der Hertha führe, ist nichts Neues. Dass meine Verpflichtung aber von wem auch immer als perfekt vermeldet wird, ist ein unglaublicher Vorschuss auf etwas, was sein könnte, aber nicht zwangsläufig sein muss. Jetzt müsste ich mir eigentlich erst recht den Spaß machen und absagen", erklärte Meyer. Mit dem DSF einigte sich Meyer über ein Aussetzen des Vertrags bis zum Ende der Saison.
Weitaus kostspieliger könnte für Hertha die Einigung mit dem Ligakonkurrenten Gladbach sein. Nachdem Präsident Adalbert Jordan noch am Samstag von einer "Formsache" gesprochen hatte, verschärfte sich 24 Stunden später der Tonfall vom Niederrhein.
Keine Freigabe von Gladbach
"Das Präsidium will die Freigabe für Hans Meyer nicht erteilen. Herr Meyer wird als Berater und Scout bezahlt. Und Vertragsinhalt ist, dass er nur Gladbach zur Verfügung steht", erklärte Pressesprecher Markus Aretz. "Das ist wie bei einem Spieler, den man auch nicht einfach verschenkt." Im Klartext heißt dies wohl, dass die Ablösesumme noch zwischen den Klubs geklärt werden muss.
Für den "Trainer-Fuchs", der auf mehr als 30 Jahre Trainererfahrung zurückblickt und unter anderem auch für den FC Twente Enschede und Carl-Zeiss Jena tätig war, wäre die Unterschrift ein "Umfaller" erster Klasse. Noch vor wenigen Wochen hatte er eine Rückkehr auf die Trainerbank "selbst im Falle eines Angebots von Real Madrid" rigoros ausgeschlossen.
Große Chance für Meyer
Andererseits bietet sich Meyer, dem als etabliertem Fachmann nach der deutschen Wiedervereinigung der Einstieg in den neuen gesamtdeutschen Trainermarkt zunächst verwehrt blieb, eine große Chance, ohne sich noch einmal lange an einen Klub binden zu müssen. "Ich habe seit der Zeit in Mönchengladbach schon vielen Vereinen abgesagt. Ich will nicht mehr langfristig in der Bundesliga arbeiten", hatte der in Bad Hersfeld beheimatete Meyer verkündet.
Völler befürwortet diese Lösung
Zustimmung für die Meyer-Lösung erteilte auch DFB-Teamchef Rudi Völler. "Ich finde es eine tolle Idee von Dieter Hoeneß, Hans Meyer zu institutionalisieren. Er ist eine tolle Person und ein toller Trainer. Er passt dahin", erklärte Völler im DSF-"Doppelpass".
Diese Lösung würde dem Verein Zeit verschaffen, sich um eine langfristige Lösung zu kümmern. Meyer wäre Nachfolger von Huub Stevens, der am 4. Dezember wegen Erfolglosigkeit entlassen worden war. Mit Andreas Thom als Interimscoach hatte die Hertha die Vorrunde mit 13 Punkten als Vorletzter beendet. Der Hauptstadt-Klub hatte danach angekündigt, bis zum 3. Januar einen neuen Trainer zu präsentieren.
Auch Rangnick ein Thema
Neben Meyer galten in der Hauptstadt auch Ralf Rangnick vom Bundesligisten Hannover 96 und der am 22. Oktober beim Hamburger SV entlassene Kurt Jara als Kandidaten auf die Nachfolge von Huub Stevens. Der ebenfalls gehandelte Schweizer Christian Gross (FC Basel) hatte kein Interesse.
Stevens hatte sich am Samstag erstmals öffentlich zu der Trennung geäußert und vor allem an den Hertha-Profis kein gutes Haar gelassen. Ein Abstieg sei unvermeidbar, "wenn die Spieler nicht ab sofort sämtliche Egoismen über Bord schmeißen", sagte der Niederländer der Bild-Zeitung.
Profis sind schuldig
Wie auch Dieter Hoeneß sieht Stevens, der nach einem 1:6-Debakel im DFB-Pokal-Achtelfinale bei Werder Bremen ("Meine persönliche Hinrichtung") seinen Posten in der Hauptstadt räumen musste, die Ursachen für die Misere des Klubs bei den Profis. "In Berlin gibt es kein Trainer-, da gibt es in erster Linie ein Mannschaftsproblem", meinte der 50-Jährige. Sein Kollege Hans Meyer steht vor einer Herkules-Aufgabe.