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Gesucht und gefunden
Frank Fahrenhorst und Raymond Kalla bilden in Bochum trotz Sprachbarriere ein glänzendes Duo</b>
Bochum – Wenn Raymond Kalla und Frank Fahrenhorst sich austauschen, brüllen die Innenverteidiger des VfL Bochum einander meist nur Wörter zu. Rechts, Links, Achtung, Hintermann – viel größer ist ihr gemeinsames Vokabular nicht. Das reicht auf dem Platz, doch jenseits davon haben die beiden noch nicht miteinander geredet. So gibt es offene Fragen, die mit Hilfe eines Übersetzers endlich beantwortet werden können. Fahrenhorst würde von Kalla nämlich nur zu gerne wissen, „wie er das Timing beim Kopfball hinbekommt“.
Sein glatzköpfiger Kollege aus Kamerun, der in der Luft fast alle Zweikämpfe gewinnt, lehnt sich zurück und grinst. Nur knapp zweieinhalb Jahre älter ist Kalla, 27, als der Deutsche und wirkt doch wie ein Routinier neben einem Youngster. Nach vielen große Schlachten weiß er, dass sich die Dinge mit der Zeit entwickeln. „Du musst einfach weitermachen, im Training und im Spiel, das kommt automatisch“, sagt er auf Spanisch und klopft Fahrenhorst ermutigend auf die Schulter. Die Entwicklung dieser Saison bestätigt das. Obwohl der VfL Bochum schon 23 Gegentore hat hinnehmen müssen, macht die Abwehr nach etlichen windschiefen Spielzeiten einen stabilen Eindruck, seit sich in ihrer Mitte zwei gesucht und gefunden haben.
<b>Zukunft in der Nationalelf </b>
„Er spielt abgeklärt und ruhig, das färbt ab“, sagt Fahrenhorst über seinen Nebenmann, und fast schwingt ein wenig Dankbarkeit dabei mit. Vor acht Jahren kam Fahrenhorst, 25, als Jugendspieler nach Bochum. Über hundert Punktspiele in der ersten und zweiten Liga hat er bereits absolviert, doch erst in dieser Saison konnte er sich nachhaltig durchsetzen. Talent zeigte er immer wieder, aber mal hatte er Verletzungspech, mal fehlte Unterstützung der Trainer oder die richtigen Nebenspieler. Dann zeigte Fahrenhorst schlechte Nerven, die ihm den Spitznamen „Gefahrenhorst“ einbrachten. Peter Neururer gibt zu, dass er den Verteidiger „eigentlich nicht auf dem Zettel hatte“, als er die Spielzeit plante. Doch das Zusammenspiel zwischen dem introvertierten Deutschen und dem baumstarken Kameruner klappte von Beginn an fast selbstverständlich. Hat ihn der Himmel geschickt? „Könnte man so sagen“, meint Fahrenhorst.
„Frank ist sehr klar im Kopf“, sagt Kalla, „und für mich ist es wichtig, dass mein Nebenmann nicht fahrig ist.“ Der Verteidiger aus Douala ist einer der großen Stars des afrikanischen Fußballs. Der VfL Bochum hatte Glück, dass er trotz Angeboten aus England unbedingt in die Bundesliga wollte, „weil das zu meinem Stil passt“. Über 60 Länderspiele hat Kalla laut offiziellen Statistiken absolviert, zweimal hat er mit Kamerun die Afrikameisterschaft gewonnen, und die WM-Endrunde in Japan und Korea war schon seine dritte.
Trotzdem hat er in Europa nur bei kleinen Klubs gespielt. Nach der WM 1994 wechselte er aus seiner Heimat in die griechische Provinz zu Panachaiki Patras. Drei Spielzeiten später ging es zum spanischen Mini-Klub FC Extremadura, dessen Erfolge zwischendurch die Primera Division auf den Kopf stellten. Dann jedoch stieg der Klub in die zweite und in diesem Sommer in die dritte Liga ab. „Ich hatte in Extremadura zwar viele Angebote, aber meistens scheiterte es daran, dass die Klubs schon drei Nicht-EU-Ausländer hatten“, sagt Kalla.
Eine stabile Karriere im Nationalteam, nur drei Profiklubs in acht Jahren, das ist für afrikanische Kicker so außergewöhnlich wie Kallas Begründung für diese Konstanz. „Im Fußball steht Disziplin an erster Stelle“, sagt er, „ich setze keine spielerischen Glanzpunkte, sondern mache konzentriert meine Arbeit.“ Zur Disziplin gehört es auch, dass er in einem halben Jahr Deutsch gelernt haben will. Und sein Arbeitsethos hat nach acht Jahren zum Rücktritt aus der Nationalmannschaft geführt. Das Organisationschaos bei der Weltmeisterschaft hat ihn endgültig entnervt und war seiner Ansicht nach der Grund dafür, dass Kamerun schon in der Vorrunde ausschied und nicht – wie von Kalla erwartet – zumindest bis ins Semifinale vordrang. „Ich sehe keine Änderung und werde dort nicht mehr hinfahren“, sagt er.
Ist für Kalla die internationale Karriere erst einmal vorbei, soll sie für Fahrenhorst demnächst richtig losgehen. Peter Neururer hat sich schon darauf festgelegt, dass sein Verteidiger der nächste Nationalspieler beim VfL Bochum wird. Erschreckt hat er ihn damit nicht, aber „etwas überrascht war ich schon“. In der U-21-Nationalmannschaft hat Fahrenhorst schon gespielt und kürzlich im Team 2006. Vor zwei Wochen in Kaiserslautern war Teamchef Rudi Völler auch da, um ihn zu beobachten. Sollte er demnächst eingeladen werden, würde Fahrenhorst seinen Kollegen aus Afrika wahrscheinlich am liebsten mitnehmen. Obwohl ihm etwas gelingt, was Kalla bislang vorbehalten blieb. Drei Tore hat er in dieser Saison erzielt. „Du triffst auch noch“, sagt er zu Kalla. Und diesmal darf Fahrenhorst ihm ermutigend auf die Schulter klopfen.
Christoph Biermann
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