Kritik von Greg Lemond
Fragen nach der Sauberkeit des fünfmaligen Toursiegers Armstrong, die zuletzt das Buch "LA Confidentiel" aufgeworfen hat, verstärkt Armstrongs Landsmann Greg Lemond. Im Gespräch mit "Le Monde" wischt der dreimalige Toursieger das Argument, jemand sei clean, solange er nicht bei einer Dopingprobe erwischt werde, mit dem Hinweis vom Tisch, auch David Millar sei nie positiv gewesen, habe aber gestanden, Epo benutzt zu haben. Insbesondere die Zusammenarbeit Armstrongs mit Michele Ferrari kritisiert Lemond. Er beschreibt, daß er dem italienischen Arzt 1994 in San Diego ein Gerät zur Leistungsdiagnostik erklärt habe. "Er hatte keinerlei Kenntnisse vom Thema Training und körperliche Vorbereitung", sagt Lemond. "Sein Ding, das war die Wissenschaft des Hämoglobins. Für mich ist er es, der den Radsport verändert hat." Armstrong arbeitet seit 1997 mit Ferrari zusammen und beschreibt ihn - "ein Ehrenmann" - als Ratgeber in Fragen von Training und Ernährung.
Lemond antwortet auf die Frage, ob er die siegreiche Rückkehr Armstrongs nach dessen Krebserkrankung als Wunder betrachte: "Es gibt keine Wunder im Radsport. Es gibt immer eine Erklärung." Selbst ein sechster Toursieg von Armstrong habe angesichts dessen, was in den letzten zehn Jahren passiert sei, nicht denselben Wert wie etwa die fünf Toursiege von Bernard Hinault. Er sei, als der Amerikaner zum ersten Mal die Tour gewann (1999), ein großer Anhänger Armstrongs gewesen. "Aber mit all diesen Geschichten ist es schwer, ein Anhänger zu bleiben", sagt er. "Ich sage nur, daß ich die Wahrheit sehen will, wenn ich die Tour de France verfolge. Lance ist bereit, alles zu tun, sein Geheimnis zu wahren. Ich sehe nicht, wie er weiter alle von seiner Unschuld überzeugen könnte." Vielleicht beendet die Tour bei einigen die Komplexe. Für ein Ende der Zweifel sorgt sie nicht.
[size=1]Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.07.2004 / Nr. 164[/size]