Neue Presse
96: Verlierer, reißt euch zusammen!
In Zeiten der sportlichen Rezession, so läuft das in der etwas eigenartigen Branche Profifußball, verengt sich die Krisendiskussion meist auf den Trainer. Bei 96 also auf Ralf Rangnick.
Das macht insofern Sinn, als der Trainer die wichtigsten Entscheidungen trifft. Er sucht die besten Spieler seines Kaders aus, ordnet sie zu einer (hoffentlich) effizienten Formation, gibt ihr System, Taktik und Motivation. Tore schießen und Gegentore verhindern kann der Trainer nicht, das müssen die Profis.
Bei 96 ist in dieser Hinsicht in den vergangenen vier Spielen einiges schief gelaufen. Hannovers Spieler versagen in Serie. Stürmerstar Fredi Bobic fürchtet, dass es nun „schwierig wird, den Trend in eine andere Richtung zu lenken”.
Eine Wende zum Guten aber wäre nötig, um dem Wackelkandidaten Rangnick zu helfen. Nach 410 torlosen Minuten müssen sich die 96-Schlaffis für ihren Chef reinhängen.
Bobic allerdings vermisste zuletzt „Willen und Glauben” im Team. Spielen die 96-Profis etwa gegen ihren Trainer? „Ganz bestimmt nicht”, glaubt Sportdirektor Ricardo Moar. „Ralf hat kein Problem mit der Mannschaft.” Jedenfalls nicht mit den Stammspielern, die ihre privilegierte Stellung im überfüllten Kader (29 Profis) genießen. Einige zweifeln allerdings daran, allein mit dem 4-3-3-System in der Bundesliga bestehen zu können.
Die aus der ersten Elf pflegen immerhin ein sachlich-freundliches Arbeitsverhältnis zu Rangnick – ob sie sich aber auch für ihn zerreißen? „Ich weiß es nicht”, sagt einer. „Jeder ist zu allererst mit sich selbst beschäftigt” in dieser Krise.
Das scheint ein größeres Problem zu sein: Es gibt zu viele Sensibelchen, die dem Druck im Abstiegskampf kaum standhalten. 96 hat mithin ein Kopfproblem. Auf der Welle des Erfolgs schwimmen viele Profis oben mit; flutscht es aber nicht mehr, tauchen zu viele ab, wie zuletzt Steven Cherundolo und Dariusz Zuraw.
Gegen Bielefeld sollten sie sich nun wenigstens darum bemühen, Rangnick nicht ganz untergehen zu lassen. Klubchef Martin Kind hat immerhin Hoffnung, dass Rangnick „die Probleme noch in den Griff bekommt”.
VON GUNTHER NEUHAUS UND SVEN HOLLE
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