5.9.2004 A-Jugend Bundesliga: FC Schalke 04 – Arminia Bielefeld 5:3 (2:1)
Gestern noch waren wir zusammen mit acht anderen Zuschauern Zeuge einer 1:3 Heimniederlage einer Dorfjugend-Elf am östlichen Rand des Sauerlands, auf einem holprigen Wiesenplatz umgeben von kleinen Kartoffeläckern, heute schon geht’s wieder in die grosse weite Welt.
Wir stellen das silberen Geschoss am kleinen Parkplatz vor der Gelsenkirchener Glückaufkampfbahn ab, sind trotz des wegen der Vollsperrung der A40 bei Essen notwendigen Umweges bester Laune. Die Sonne scheint, warm isses, und zwei Fussballspiele liegen vor uns. Jetzt, am Sonntag Morgen, empfängt die A-Jugend von Schalke Arminia Bielefeld zum 2.Spieltag der Bundesliga, nachher spielen die Schalker Amateure noch in der Oberliga gegen Erkenschwick.
An der Kasse zeige ich die Amas-Dauerkarten, und der knurrige Mensch im Beton-Kabuff meint, „nö, die sind für nachher! Jetzt mussde bezahlen, wennze keine Arena-Dauerkarten hast“. Sicherheitshalber hab’ ich die auch dabei, aber ich frage trotzdem, wieso er die noch braucht, denn schliesslich bekommt man die Amas-Dauerkarten nur, wenn man die für die Arena vorlegt. „Ja, die könnste dir ja irgendwie besorgt haben!“. Da bin ich platt. In der Tat hab ich die „irgendwie besorgt“. Ich hab über Monate hinweg Briefe, Faxe und eMails an Schalke04 geschickt, schliesslich sogar mit zitternder Stimme aus’m Urlaub telefonisch nachgefragt, ob wirklich alles klappt, ein Vermögen für die Arena-DKs überwiesen und bin dann nochmal 150km gefahren, um zusätzlich die Amas-Dauerkarten kaufen zu dürfen. „Irgendwie besorgt“ ?
Ich könnte dem Aushilfs-Kassierer, den ich das erste Mal da hocken sehe, auch erklären, dass meine Europameisterin als Frau sowieso nichts zahlen müsste, oder ihm unsere S04-Mitgliedsausweise unter die Nase halten, die uns das ebenfalls gestatten – eigentlich müssten wir noch Geld zurück bekommen, auf so viele unterschiedliche Weisen haben wir hier freien Eintritt, aber was soll’s – nächste Woche ist bestimmt unser angestammter Kassierer wieder hier.
Leicht grummelig ziehen wir vorbei am Aschenplatz zum Grill, wo der Meister mit der Zange aufspringt und uns begrüsst. Jawoll, so sollten Stammkunden behandelt werden ! Natürlich ist es noch zu früh für Wurst, auch wenn das mehr am Grill als an uns liegt. Die Laune wird wieder besser.
Das Gras am Südhang des Nebenplatzes ist noch feucht, aber wir haben schlauerweise Plastiktüten (nein, nicht „Aldi“, aber so ähnlich) als Unterlage dabei und sitzen alsbald mit der Sonne im Rücken einigermassen bequem und schauen über den knallgrünen Fussballplatz. Sind ziemlich viele Zuschauer da, zweihundert vielleicht, ein paar Reporter, die üblichen Verdächtigen auf den drei einzigen Holzbänken, und sogar eine ganze Menge Bielefelder. Die haben links, Richtung Baumarkt, ihre Blockfahnen aufgehängt – „Boys“ und irgendwas wie „Spange“ oder so – während die Schalker „Ghostbusters“ und „Fever Pitch“ gegenüber zu sehen sind. Dahinter ist der kleine für Spieler und Angehörige reservierte Parkplatz gut gefüllt, und gross und silbergrau steht der Mannschaftsbus der Arminen am Tor.
Na, da sind wir mal gespannt. Letzten Montag in Dortmund ging’s glimpflich ab, ein etwas glückliches Unentschieden, heute sollte mehr drin sein. Das hofft sicher auch der neben uns stehende Bilal Aziz, letztes Jahr noch Mittelfeld-Motor der U19, mittlerweile eine Art Links-Aussen bei den Amateuren.
Jetzt kommen die Mannschaften auf den Platz, Schalke ganz in Blau, Bielefeld ganz in Weiss, die Schiedsrichter, äh, die fehlen noch. Deshalb müssen alle wieder runter vom Platz, denn der mächtige Mensch mit Trillerpfeife muss schliesslich als Erster auf’s Feld. Als schliesslich alles bereit ist zum Anstoss, da fällt auf, dass die Schalker ein paar Trainingshütchen vom Aufwärmen auf dem Platz vergessen haben – ein Ersatzspieler rennt und räumt auf.
Na, das erste Heimspiel der Saison, das muss sich wohl alles noch etwas einspielen. Die Schalker Trainer, Elgert und Scheer, sitzen statt auf ihren alten Plastikstühlchen heute auf 70er-jahre Holz/Metall-Stühlen, die mancher aus der Schule kennen wird. Alle anderen hocken wie immer auf einer harten Bank, die einem halbierten Baumstamm ähnelt.
Das hier ist endlich mal kein Testspiel mehr, und also gibt es für interessierte Besucher eine gedruckte Mannschaftsaufstellung. Hurra! Keine Verwechslungen mehr! Schalke spielt mit
Neuer – Kisyna, Grembowitz, Bungert, A.Kilian – Kunert, Klinger, Boenisch – Baumjohann – Altin, Heppke
Arminia: Zapala, Zech, N.Fischer,Tumani, Danneberg, Röber, M.Fischer, Rössler, Janjic, Yildiz, Göttsch
Das Spiel beginnt und die Königsblauen erobern rasch den Ball, überrennen die Gäste-Abwehr. Eine phantastische Kombination am rechten Flügel. Heppke ist offenbar über nacht Brasilianer geworden, er fuddelt in vollem Lauf die Gegner schwindelig, dann Doppelpass mit Klinger, nach innen zu Altin, der rennt am Verteidiger vorbei in den Strafraum und wird gelegt. Elfmeter !
Zwei Minuten erst gespielt, und Alexander Baumjohann muss lange warten bis der Schiedsrichter den Ball freigibt, dann läuft er an und schiesst den Strafstoss flach, hart, aber nicht besonders plaziert. Zapala im Bielefelder Kasten pariert, doch er muß machtlos zusehen, wie der Ball Baumjohann wieder vor die Füsse springt. Aus vier Metern drischt der Jung-Profi die Kugel in die Wolken. „So hoch ist kein Baum, Johann“ meint der Mensch rechts von mir, aber mir ist nach Lachen nicht zumute. Ich befürchte, der Nachbar zur Linken wird recht haben mit seinem „Der ist jetzt fertig, den nimmter am besten gleich raus...“ Ojeh. Gewöhnlich braucht Baumjohann schon nach einem einfachen Ballverlust eine halbe Minute, um sich wieder zu fangen – wie lange wird das hier wohl dauern?
Tatsächlich taucht der Unglückliche ab, eine viertel Stunde lang. Bielefeld hat mehr vom Spiel, vergibt nach sechs Minuten eine dicke Chance, als Neuer im Tor leichte Unsicherheiten zeigt. Insbesondere der Links-Aussen der Gäste ist unheimlich stark. Zlatko Janjic heisst der Junge, ist gross und schnell wie Boenisch und fast so elegant am Ball wie Baumjohann. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Gäste ihre Überlegenheit in ein Tor ummünzen.
Ersatzspieler Kamba wird derweil von Elgert in die Schrebergärten hinter dem Bielefelder Tor geschickt, und als er von dort mit dem verschossenen Elfmeter-Ball wieder auftaucht, steht es 0:1 für Bielefeld. Eine blitzsaubere Kombination durch den Schalker Strafraum wird durch eine 14m-Granate unter die Latte abgeschlossen. Unhaltbar.
18 Minuten sind da gespielt, aber jetzt ist Baumjohann wieder zurück. Es ist eine Augenweide, ihn am Ball zu sehen. Mit dem Rücken zum Tor läuft er dem Ball entgegen, lässt ihn irgendwie durch sich durchgleiten, und ist im selben Moment mit Speed und Ball am Fuss in die andere Richtung unterwegs – kaum ein Gegenspieler, der das ohne Foulspiel verhindern kann.
Jetzt kommen die Knappen, Altin, Baumjohann, Kunert, Weitschuss – das war knapp. Kurz darauf ein Foul 28 Meter vor’m Tor, und Baumjohann legt den Freistoss perfekt am langen Pfosten auf den Kopf von Klinger, der keine Mühe hat, zum Ausgleich zu vollstrecken. 1:1. Nur vier Minuten hat die Gästeführung gehalten.
Schalke macht jetzt Druck. Kilian als linker Aussenverteidiger steht sehr weit vorne, ist unglaublich Ballsicher und deshalb in der Lage, auch aus bedrängter Situation heraus, offensiv zu werden. Von ihm läuft der Ball zu Baumjohann, zu Heppke, der immer noch zaubert. Elgert hat kaum Anlass, seine berüchtigten „Makkkuuus!“-Rufe abzufeuern. Baumjohann spielt tolle Pässe, rackert jetzt mehr. Und Links-Aussen stürmt Sebastian Boenisch, mittlerweile vom hervorragenden Verteidiger der B-Jugend zum Klasse-Stürmer mutiert. Einer seiner Schüsse wird mit vom Torwart nur eben so um den Pfosten gewischt.