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Brasilien ist wie Bielefeld - FAZ.net 06.09

  • Kahn vor der Revanche
    Brasilien ist wie Bielefeld
    Von Michael Horeni


    06. September 2004 War da was? Zwei Tage vor der Begegnung mit der eigenen Fehlbarkeit wirkt Oliver Kahn nicht gerade so, als quälte ihn die Vergangenheit, die in ihm lange wie in einem Film ablief.



    Es ist die 67. Minute des WM-Endspiels und einer seiner weiten Abschläge kehrt als Konter der Brasilianer zurück. Dann kommt der Ball zu Rivaldo, und dessen Schuß scheint die sichere Beute eines Torwarts zu sein, der bei der Weltmeisterschaft, die Fußballregeln außer Kraft setzt: Ein unüberwindlicher Torwart macht den Unterschied, nicht das Team. Deutschland gegen Brasilien lautet das Endspiel, aber eigentlich heißt es: Einer gegen alle, Kahn gegen alle. Doch dann, in dieser 67. Minute, läßt der Unüberwindliche den Ball von seinem Körper abprallen. Ronaldo nutzt den Augenblick und erzielt das 1:0. Der deutsche Traum vom WM-Titel ist dahin, und mit ihm Kahns Mythos der Unbezwingbarkeit. Ronaldo schießt noch das zweite Tor, aber das ist nicht mehr wichtig.


    Die schwarzen Momente seiner Karriere



    Den Weg bis zur WM 2006 sieht Kahn als "Marathon"
    In den Monaten nach der Niederlage geriet das Leben des deutschen Kapitäns in Turbulenzen, und die Ausnahmestellung, die er damals einnahm, sollte er nicht wieder erlangen. "Das ist sein Spiel", sagt deswegen auch Bundestrainer Jürgen Klinsmann vor Kahns Begegnung am Mittwoch in Berlin mit den schwarzen Momenten seiner Karriere.


    Die Bedeutung der Partie ist für den Torwart also mit Händen zu greifen, und diese Frage wird ihm vor der Begegnung im Berliner Olympiastadion daher immer wieder gestellt. Welche Bedeutung hat das Spiel? Persönlich, sportlich? "Gar keine", sagt Kahn. Er behauptet, es sei eines von "vielen, vielen Spielen" mit Blick auf die Weltmeisterschaft, und dann redet er davon, daß er mit dem FC Bayern bald auf Bielefeld trifft, und das sei auch wichtig, und dann komme noch die Champions League und der DFB-Pokal. "Brasilien, das ist eine Partie auf hohem Niveau. Aber von diesen Spielen werden wir in der nächsten Zeit sehr, sehr viele haben.”


    „Marathon” bis zur WM 2006



    Ist der Kampf um das deutsche Tor schon entschieden? Vieles deutet auf Kahn als Nummer eins
    Das ist natürlich ein schiefer Vergleich, und nicht nur Bielefeld wird sich wundern, es auf einmal mit der Bedeutung Brasiliens aufnehmen zu können. Aber Kahn geht es dabei um etwas anderes: "Es geht darum, mein Leistungsniveau über zwei Jahre zu bestätigen." Die WM sei für ihn "längst Vergangenheit. Das ist weit, weit weg. Auch die EM ist vorbei. Ich konzentriere mich auf meine Leistung und auf das Mega-Ereignis Weltmeisterschaft 2006." Kahn sieht seinen Weg bis dahin als "Marathon", und deshalb bedeutet ihm ein solches Spiel gegen den Weltmeister nicht mehr alles, obwohl der Bundestrainer seinem Herausforderer Jens Lehmann eine Perspektive als Nummer eins angedeutet hat.


    Aber in diesen Tagen verstärkt sich der Eindruck, daß der Kampf um das deutsche Tor womöglich schon entschieden ist, bevor er wirklich begonnen hat. "Er ist die klare Nummer eins. Olli wird 2006 nicht auf der Bank sitzen. Das kann ich mir nicht vorstellen - und davon geht auch niemand aus", sagte Kapitän Michael Ballack der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Kahn sei "sehr wichtig für die Hierarchie in der Mannschaft - und bei der WM brauchen wir die stärksten Männer." Der neue Konkurrenzkampf, so der Münchner Mittelfeldspieler, habe seine Vorteile. "Wenn Olli keinen Konkurrenzkampf mehr hätte, dann könnte vielleicht auch die Leistung ein bißchen nachlassen. Aber auch eine gewisse Sicherheit ist wichtig, damit man weiß, wenn man mal ein schlechtes Spiel macht, daß man noch dabei ist. Das muß man sich erarbeiten. Olli hat sich das erarbeitet", sagt Ballack.


    Vorentscheidung in der Torwartfrage


    Jens Lehmann jedenfalls wirkt in Berlin schon wieder deutlich gedrückter als zum Amtsantritt von Klinsmann, der bei seiner Präsentation zunächst die große Torwartrotation ohne Ansehen der Person ausgerufen hatte, dann aber Kahn wieder als Nummer eins und Lehmann nur als Herausforderer einstufte. Der Torwart von Arsenal glaubt mittlerweile, Klinsmann müsse in dieser Frage taktieren, um Unruhe zu vermeiden. "Ich habe schon so viele Enttäuschungen im Nationalteam erlebt. Da ist eine mehr oder weniger auch nicht schlimm", sagte Lehmann der Zeitung "Welt".


    Kahn jedenfalls präsentiert sich in Berlin angesichts der veränderten Atmosphäre deutlich entspannter als vor wenigen Wochen beim Auftakt gegen Österreich, wo ihn der Bundestrainer auch noch vom Amt des Kapitäns enthoben hatte. Jetzt gehe es einfach darum, daß "auf der Torwartposition derjenige spielen soll, der in den nächsten zwei Jahren die konstanteste und beste Leistung bringt", sagt Kahn.


    Das Wichtigste sind für ihn nun die Auftritte in der Nationalmannschaft, "und dann will ich mit dem FC Bayern in die Erfolgsspur zurückkehren. Wenn mir das nicht gelingt, habe ich auch keine Ansprüche, die Nummer eins zu fordern", sagte der Torwart mit wiederentdecktem kämpferischen Realismus. Die grimmige Verbissenheit, sein ständiger Begleiter, jedoch scheint sich in Berlin fürs erste verflüchtigt zu haben. Irgendwann sagte Kahn sogar, daß er sich auf das Spiel gegen Brasilien freue. So etwas hat man von ihm lange nicht mehr gehört.



    Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung
    Bildmaterial: dpa, AP


    Ist ja nett, in so einem Artikel mal im Titel genannt zu werden.

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    Einmal editiert, zuletzt von schwarzweissblau ()

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