In der Stuttgarter Zeitung plaudert Ex-Armine und "Fußball-Gott" Günter Schäfer aus dem Nähkästchen:
Eine ungewöhnliche Busfahrt mit Ernst Middendorp
Der Co-Trainer des VfB, Günther Schäfer, erinnert sich noch gut an seine Zeit bei Arminia Bielefeld - "Diese Erfahrung hat mich geprägt", sagt er
Beim Spiel morgen in Bielefeld wird Günther Schäfer von der Vergangenheit eingeholt. Der Co-Trainer des VfB Stuttgart spielte vor ein paar Jahren für die Arminia. Seitdem weiß Schäfer, dass das kein Verein wie jeder andere ist. Ein Blick zurück.
Von Thomas Haid
Günther Schäfer, 42, gehört zu einer verschwindend kleinen Minderheit in Deutschland. Denn wenn er auf einem Fragebogen die Namen seiner beiden Lieblingsstädte angeben müsste, würde da stehen: erstens Stuttgart und zweitens Bielefeld.
Ausgerechnet Bielefeld, "wo der Bär nicht gerade steppt", wie selbst Schäfer sagt. Ausgerechnet der Ort mit der höchsten Niederschlagsmenge in der ganzen Republik. "Da schüttet es nur", sagt Schäfer, "ich habe da Sommer erlebt, die waren wie der Herbst bei uns." Wie müssen dann erst die Winter in Bielefeld gewesen sein? Sei"s drum, Schäfer hat sich wohl gefühlt - vom Ende abgesehen.
Er spielte von Oktober 1996 bis Juli 1998 für die Arminia. Dann zog er sich eine Knieverletzung zu, die ihn zum Sportinvaliden machte. Der noch ein Jahr laufende Vertrag musste aufgelöst werden. Das war bitter, aber unter dem Strich sei die Zeit dennoch wunderbar gewesen, sagt Schäfer und erzählt einige Geschichten von früher.
Beispielsweise jene mit dem Hauptdarsteller Ernst Middendorp. Es war im März 1998. Die Arminia hatte beim Hamburger SV gerade mit 0:2 verloren. Auf der Rückfahrt stoppte Middendorp plötzlich den Mannschaftsbus. Weil er mit einem seiner Spieler nicht mehr in einem Raum sein wolle, werde er jetzt den Rest der Strecke mit dem Taxi zurücklegen, sagte der Trainer zu seiner perplexen Mannschaft. Dieser Spieler hatte Middendorp zuvor wegen dessen Taktik im Fernsehen kritisiert, was der Trainer erst im Bus mitbekommen hat. Schäfer versuchte noch zu schlichten - vergeblich. Middendorp stieg aus. "In diesem Moment war mir klar, dass das zu Spaltungen in der Mannschaft führen wird", sagt Schäfer. So ist es dann auch gekommen. Die bis zu diesem Vorfall im Mittelfeld platzierten Bielefelder fielen an den letzten acht Spieltagen förmlich auseinander - und stiegen als Tabellenletzter ab.
Wirbel dieser oder ähnlicher Art hat es öfter gegeben bei der Arminia - wie etwa in der Affäre um Rüdiger Lamm. Der Manager verpflichtete Schäfer und plante langfristig mit ihm. Demnach sollte der Verteidiger nach der Laufbahn einen Posten in der Marketingabteilung des Vereins übernehmen, mit dem Schwerpunkt Sponsorenbetreuung. Lamm muss gespürt haben, dass da in der Tat einiges im Argen lag. Bevor Schäfer eingreifen konnte, legte sich der Manager jedenfalls mit dem damaligen Hauptsponsor Gerry Weber an. Lamm warf dem Unternehmer öffentlich vor, er zahle zu wenig. Weber wehrte sich, der Konflikt eskalierte, der Manager wurde entlassen - und Schäfer stand verloren da. "Danach wollte keiner mehr etwas von einem Angebot an mich wissen", sagt er.
Deshalb landete er wieder beim VfB, von dem er sich innerlich ohnehin nie verabschiedet hatte. Wenn es noch Zweifel an der Identifikation mit seinem Heimatverein gegeben hat, so wurden diese im Dezember 1996 zerstreut. Schäfer gewann mit der Arminia gegen den VfB mit 2:0. Was danach passierte, wird er wohl noch seinen Enkelkindern erzählen. Schäfer wurde gefeiert - von den Fans aus beiden Lagern. "Das war prägend für mich und hat mir gezeigt, wie wichtig diese Leute für den Fußball sind", sagt er.
Morgen kehrt er zurück auf die Bielefelder Alm, "wo das ganze Drumherum anders ist als bei anderen Bundesligavereinen", sagt Schäfer. Alles sei eine Nummer kleiner und familiärer. So waren die Umkleidekabinen der Spieler in Containern untergebracht. Die Kickstiefel muss jeder noch selber putzen, und die Trainingsleibchen liegen alle auf einem Haufen. Da geht es dann zu wie am Wühltisch im Kaufhaus. Nicht nur einmal habe er ein Trikot erwischt, "das mir zwei Nummern zu groß gewesen ist", sagt Schäfer.
Das war lustig, wie das meiste in Bielefeld. "Viele behaupten ja, dass die Ostwestfalen stur sind", sagt Schäfer, "aber das stimmt nicht." Er weiß es besser, weil er viele Freundschaften geknüpft hat, die bis heute gehalten haben. So trifft er sich vor dem Spiel mit ein paar Bekannten im Hotel. Da werden dann die alten Zeiten wieder aufgewärmt.
Aber deshalb bekommen Schäfer und der VfB anschließend auf dem Platz sicher nichts geschenkt - im Gegenteil. Der Co-Trainer kennt die heißblütigen Anhänger noch, die das Gastspiel für jede Mannschaft schwierig machen. Dieser Zusammenhalt zeichnet die Arminia aus. Meistens. "Das Positivste war, dass man sich hier aufeinander verlassen konnte - in der Mannschaft und in der Vereinsführung", sagt Schäfer.
Middendorp dürfte jedoch anderer Meinung sein. Und Lamm wahrscheinlich auch.