Frankfurter Rundschau, 22.11.2004
Das Märchen von der Alm geht weiter
Arminia Bielefeld macht die Räume eng und den Deutschen Meister Werder Bremen nervös
VON ANDREAS MORBACH (BIELEFELD)
Einmal hat sich Uwe Rapolder am Samstag ordentlich erschreckt. Wie immer gut gebräunt und hübsch frisiert, plauderte Bielefelds Trainer nach dem 2:1 gegen Werder Bremen über sein "stabiles und diszipliniertes" Team, die "phänomenale" Serie des Aufsteigers von 21 Punkten aus den letzten zehn Spielen und darüber, wie angenehm es sich wegen all dem in Ostwestfalen so leben ließe. Doch dann fiel sein Blick auf den Stuhl neben ihm, auf den dort hin- und herruckelnden Journalisten mit dem roten Mikrofon in der Hand. Offensichtlich fühlt sich Rapolder in diesen Wochen von Mann und Mikrofon verfolgt. "Irgendwann", vermutete er jedenfalls, "steht der auf der Toilette hinter mir." Gut vorstellen kann man sich das allemal. Denn Arminia Bielefeld hat es als vermutlich einziger Bundesligaclub geschafft, den Lokus für die männlichen Medienvertreter ausschließlich mit Sitztoiletten - zwei an der Zahl - auszustatten. Entsprechend bilden sich vor dem Örtchen regelmäßig kleine Schlangen wie sonst nur vor den Damentoiletten. Aber sie mögen es halt eng hier: Auf den Tribünen, wo Pressevertreter mit Arminia-Handschuhen sitzen und neben dem kreischenden Publikum zu Bielefelds 13. Mann werden, in den Spielergängen, und auf dem Null-Null.
Wen wunderte es da, dass Jürgen L. Born, Werders nach der fünften Saisonniederlage des Meisters sehr entrüsteter Vorstandsvorsitzender, feststellte: "Bielefeld hat die Räume schön eng gemacht." Mehr Gutes wollte Born nicht über den Gegner sagen, er hatte genug Schlechtes beim eigenen Team gesehen. Und dabei sogar zwischen den Fußballerfüßen gelesen.
"Einige haben wohl schon an den Mittwoch gedacht", sah der Chef im nächsten Champions-League-Spiel der Bremer gegen Inter Mailand den Grund für die vielen Abspielfehler vor allem in der ersten Halbzeit. "Keiner ist an die Grenzen seiner Möglichkeiten gegangen", donnerte Born und stichelte: "Wir tanzen im Moment auf drei Hochzeiten, aber das sind wohl zwei zu viel." Der Mann fürchtet, Werder werde "in der Versenkung" verschwinden.
Dort, wo man zu Saisonbeginn eigentlich die Arminia vermutet hätte. Im günstigsten Fall, denn eigentlich galten die konsequentesten Paternosterfahrer im Land (sechs Ab-, sieben Aufstiege) als Top-Kandidat für den Gang ins Unterhaus. Jetzt sind sie Sechster, gerade an Bremen vorbeigezogen und haben drei Runden vor Weihnachten bereits 23 Punkte gesammelt. 40 gelten landläufig als ausreichend für den Klassenerhalt. Dass die aktuelle Ausgabe von Arminia Bielefeld dagegen bestens gefeit wirkt, gilt in erster Linie als das Verdienst von Uwe Rapolder, der sich im kicker selbst als "Supertrainer" bezeichnet hat. Das sei nur auf seinen Job bei Waldhof Mannheim (März 1997 bis November 2001) gemünzt gewesen, stellte der 46-Jährige am Samstag klar. "Ein exzellenter Fachmann, was Technik und Taktik angeht", fällt dazu Sportdirektor Thomas von Heesen ein, der "verstehen kann, dass sein Erfolg hier Begehrlichkeiten geweckt hat." Zum Beispiel bei Dortmunds Großaktionär Florian Homm, der sich kürzlich für "einen Trainer wie Uwe Rapolder" aussprach. Weil der sein derzeitiges Wirken über Bielefeld hinaus lange nicht gebührend gewürdigt sah, dürfte er sich nun also um so mehr freuen. Rapolder (Vertrag bis 2005) fühlte sich davon "in meiner Arbeit bestätigt". Und dann bestätigte er sich in seiner Arbeit gleich noch mal selbst und hob nach dem Erfolg über Bremen "ausnahmsweise" zwei Spieler "als Beispiel für alle anderen" hervor: Den stets hellwachen Innenverteidiger Benjamin Lense (25) und den Mann zu seiner Rechten, Patrick Owomoyela, ebenfalls 25 Jahre alt. Just die beiden Fußballer also, von denen er im Sommer sagte: "Man muss sie als Kandidaten für die Nationalelf beobachten."