ZitatAlles anzeigenOriginal aus der FAZ-Onlineausgabe
Auch von Heesen droht nun mit Abschied
Von Roland Zorn
26. April 2005 Guten Appetit! An diesem Mittwochmittag treffen sich Präsident, Geschäftsführer und Trainer des DSC Arminia Bielefeld bei Tisch. Ob er rund sein wird, ist nicht überliefert; ob Friede, Freude, Eierkuchen auf der Speisekarte stehen werden, scheint im Augenblick eher unwahrscheinlich.
Denn knapp eine Woche vor der großen Jubelfeier zum hundertsten Geburtstag des ostwestfälischen Fußball-Traditionsklubs serviert der Bundesliga-Elfte nicht gerade die schmackhaftesten Appetizer auf dem Weg in die nächste erstklassige Saison. Sie frühzeitig erreicht zu haben, ist allein schon eine große Erfolgsgeschichte für die Arminia, die als klassischer Berufspendler zwischen den Profiligen gilt. Sieben Bundesliga-Aufstiege, sechs Abstiege, da sind die Bielefelder unerreicht.
Es herrscht ein reges Gehen
Um so erstaunter registrieren die Anhänger der Blau-Weiß-Schwarzen, daß derzeit ein reges Gehen herrscht, als wäre der Klub wie fast alle zwei Jahre wieder abgestiegen. Stammspieler wie Skela (1. FC Kaiserslautern), Owomoyela (Werder Bremen), Lense (1. FC Nürnberg), nun auch noch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Langkamp (VfL Wolfsburg) und Buckley (Borussia Dortmund) verlassen den Verein und schließen sich Bielefelder Bundesliga-Konkurrenten an.
Dazu kokettiert Trainer Uwe Rapolder seit Wochen alles andere als verschämt mit anderen Angeboten. Sein Flirt mit dem kommenden Wiederaufsteiger 1. FC Köln hat mit dem Charme eines heimlichen Blicks auf eine neue Geliebte nichts mehr gemein. Zu allem Verdruß und Überdruß liebäugelt auch der Sportliche Geschäftsführer des DSC, Thomas von Heesen, mit einem Weggang von dem Verein, "der mir eigentlich ans Herz gewachsen ist. Lange gucke ich mir das nicht mehr an, dann sage ich schönen Dank."
Übersehene oder ausrangierte Kicker blühten auf
Von Heesen kümmert sich seit Wochen mit Hingabe darum, die absehbaren und plötzlichen Weggänge zu kompensieren, fühlt sich aber von Präsident Hans-Hermann Schwick, seinem Geschäftsführerkollegen Roland Kentsch und dem Aufsichtsrat des DSC nicht kräftig genug unterstützt. Rapolder betrachtet er mal als Bundesgenossen, mal als schwer verständlichen Sozius, dessen Impulsivität und Emotionalität nicht immer leicht zu begreifen sind. Trotzdem: Dieses Duo kann sich einiges darauf zugute halten, daß die Arminen ihren siebten Aufstieg problemlos bewältigt haben, und das auf ansehnliche Art und Weise. Bielefeld schon am fünftletzten Spieltag gerettet - eine Nachricht, die nach all den Jahren im Auf und Ab der Klassenfahrten viele überrascht hat. Schließlich galt der "Klub der Ostwestfalen" vor Saisonbeginn als erster Abstiegskandidat.
Dann aber triumphierte Rapolders sogenannter Konzeptfußball, blühten anderswo übersehene oder ausrangierte Kicker wie Buckley, Owomoyela, Skela oder Lense auf und entdeckte Rapolder mit Langkamp in den eigenen Amateurreihen ein großes Abwehrtalent. Das weckte Begehrlichkeiten, die dazu geführt haben, daß die sparsamen Arminen nun zwar um rund vier Millionen Euro aus Transfereinnahmen reicher sind, dafür aber um fünf gestandene oder vielversprechende Profis ärmer. Ersatz ist hier und da in Sicht. Für den Spielgestalter Skela kommt Krupnikovic von Hannover 96, für den rechten Flügelmann und Nationalspieler Owomoyela der Mönchengladbacher Korzynietz, für Langkamp höchstwahrscheinlich der Fürther U-21-Nationalspieler Westermann. Auch die Verpflichtung des Leverkuseners Bierofka, links einsetzbar wie Buckley, steht auf der Agenda.
Geht Rapolder, geht wohl auch von Heesen
Die Liste der Neu-Arminen aber wird nur am Rande wahrgenommen; dafür ist die Aufregung um das bevorstehende Adieu von Buckley wie um das undurchsichtige Taktieren Rapolders zu groß. Der Mann, der 15 Monate arbeitslos war und neulich in der SchücoArena ein Transparent mit der Aufschrift "Ohne Bielefeld Hartz IV" vorgehalten bekam, scheint in Richtung Köln zu tendieren. Sein Rückhalt bei Fans und Vorstand war rund um die "Alm" schon einmal stärker. "Wir lassen uns nicht vorführen", warnt Finanzgeschäftsführer Kentsch den Trainer vor dem heutigen Menü.
Kentsch möchte wie von Heesen sowieso, daß Rapolder wenigstens noch ein Jahr in Bielefeld bleibt, und glaubt wie andere auch, daß der sensible Coach am Standort Köln seelisch mehr als in Bielefeld gefährdet sei. Von Heesen will derweil die Mannschaft so verstärken, daß sie mit einer größeren sportlichen Substanz in die kommende Saison geht. "Wir können eine gute Truppe zusammenbekommen", sagt er, "aber das hängt auch ein bißchen am Trainer und an mir." Geht Rapolder, geht möglicherweise auch von Heesen. Vielleicht aber kommen sich die Herren an diesem Mittwoch bei Tisch wieder so nah, daß das Tischtuch zwischen ihnen am Ende doch nicht zerschnitten ist. Kentsch sagt voraus, daß ihm der Appetit so oder so nicht vergehen werde: "Hier ist inzwischen jeder ersetzbar, so gefestigt sind unsere Strukturen."
Diese Grundstimmung passt mir nicht.
Obwohl ich zu bedenken gebe, dass - wenn "alle gehen" - die Chancen für einen Neuaufbau vielleicht garnicht schlecht stehen. Denn diesmal müssen wir nicht eine alte Scheune in eine bundesligareife Villa umbauen, sondern nur einen schmucken Bungalow.
Liebe Grüße aus Berlin
Alex