Habe eine nette Geschichte gefunden,man könnte denken,er wäre mit Ansgar verwant oder dessen Bruder
Das hässlichste Gesicht des Profifußballs
Nationalspieler Bowyer stürzt Großbritannien in eine Moral-Diskussion
London/Berlin - Die Begrüßung für den Hoffnungsträger fiel kühl aus. 456 000 Euro Ablösesumme hatte West Ham United, Tabellenvorletzter der Premier League, in den englischen Nationalspieler Lee Bowyer investiert, damit der Mittelfeldmann von Leeds United ab sofort die Londoner aus dem Tabellenkeller schießen möge. Doch die Reaktion der Fans und Medien: Entsetzen statt Jubel.
Am Samstag marschierten Klub-Anhänger zum Heimspiel gegen Newcastle United mit Protest-Plakaten vor dem Stadion Upton Park auf: „West-Ham-United-Fans gegen Rassismus“. Insel-Ikonen des Fußballsports wie der Schotte Alan Hansen rangen um Erklärungen („Der Druck auf den jungen Trainer am Tabellenende nahm täglich zu“). Bowyer, schrieb der englische Ex-Nationalstürmer Gary Lineker im „Daily Telegraph“ „wird von inneren Dämonen aufgefressen“.
Ein 26-jähriger Kicker stürzt Großbritannien in eine Diskussion um Moral im Profifußball. Lee Bowyer verkörpert die tiefen Abgründe, er ist, zuweilen sogar fotografisch nachweisbar, das hässliche Gesicht des Fußballs.
Bowyer geht im Privatleben keiner Prügelei aus dem Weg und wurde vor gut einem Jahr nur wie durch ein Wunder nicht wie sein Ex-Kollege Jonathan Woodgate von Leeds United in einem Aufsehen erregenden Prozess wegen schwerer Körperverletzung verurteilt. Während des Dienstes pflegt Bowyer gerne einmal übel auf am Boden liegende Gegenspieler zu treten, so dass die „Sunday Times“ ihn unlängst zutiefst angeekelt zur Fahndung ausschrieb – „wegen Verbrechen gegen den Fußball“.
Dabei sind die Insulaner allerlei gewöhnt von ihren hartgesottenen Fußball-Profis. Regelmäßig fallen, insbesondere zur Zeit der Weihnachtsfeiern und Trainingslager, von Alkohol beseelte Spieler durch Prügeleien und andere Eskapaden auf. Schlimme Ausfälle der Stars mussten die Fans auch auf dem Platz live miterleben: Mal sprang Manchester Uniteds französischer Stürmer Eric Cantona bei einem Auswärtsspiel in London wie ein Kung-fu-Kämpfer mit den Füßen voran in die gegnerischen Fans. Ein andermal kassierte ManU-Kapitän Roy Keane mit brisanten Enthüllungen in seiner Biographie erst fleißig Tantiemen, dann eine Strafe von 238000 Euro und fünf Spiele Sperre: Er räumte eine brutale Rache-Attacke gegen den Norweger Alf Inge Haaland ein, der dabei schwer verletzt wurde.
Bowyer gelingt derweil ein zweifelhaftes Kunststück: Mühelos vereinigt er alle Sünden in seinem Register. Er stammt aus dem Osten Londons und wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Seine Lehrer erkannten schnell, dass Lee keine akademische Karriere bevorstünde. Dem in der heimischen Sackgasse eifrig Fußball spielenden Jungen kam das nicht ungelegen: Früh wollte er Profi werden. Schon seine Jugendtrainer bei Charlton Athletic beobachten neben unbändigem Ehrgeiz erste Anzeichen einer bedenklichen Entwicklung: Der schmächtige Kerl, sagt sein damaliger Coach John Cartwright, habe „zur Über-Aggressivität geneigt“.
In der Eliteklasse Englands indes schätzen die Klubs nur Bowyers Talent. 1996 kauft Leeds den umstrittenen Jungspieler für 3,95 Millionen Euro. Mit Bowyer steigt der Klub in die Nähe des früheren Ruhms auf: 1975 Bayern München im Europapokalfinale der Landesmeister 0:2 unterlegen, erreichte Leeds vor zwei Jahren das Halbfinale der Champions League dank Lee Bowyer.
Doch die Kombination zwischen dem Charakter der Stadt und dem des Spielers entpuppt sich als explosiv: Leeds verfügt über einen hohen asiatischen Bevölkerungsanteil und United über eine berüchtigte rassistische Anhängerschaft. Der Klub wurde als erster in Europa wegen der Ausschreitungen seiner Fans im Finale 1975 in Paris gegen Bayern für zwei Jahre von internationalen Wettbewerben ausgeschlossen.
Nach einer Party zu Bowyers 23. Geburtstag eskaliert die Situation. Mit Kollegen und Freunden jagt Bowyer den Studenten Sarfraz Najeib durch die Stadt, die Meute stoppt und tritt ihn, einer beißt sich in seiner Wange fest. Bowyer allerdings, 33400 Euro Wochenverdienst, prominent, wird vor Gericht freigesprochen.
Zumindest die Europäische Fußball-Union sperrte ihn für sechs Spiele, nachdem er per Video überführt worden war, seinem am Boden liegenden Gegner Gerardo von Malaga am 12. Dezember auf den Kopf getreten zu sein. 19 Monate zuvor war er Valencias Juan Sanchez auf die Brust getreten. Wenn Peter Ridsdale, Leeds Klubchef, bei seiner Verpflichtung „gewusst hätte, was ich heute über Bowyer weiß, hätte ich ihn nie unter Vertrag genommen“.
Dass Bowyer dennoch einen Abnehmer fand, der ihn für fünf Monate unter Vertrag nahm, erklärt sich leicht. „Bowyer“, sagt der Experte Hansen, „könnte West Ham sehr im verzweifelten Abstiegskampf helfen.“ Weil sein Vertrag nur bis zum Saisonende gilt, kann Bowyer dann eifrig kassieren: Das Gros der ersparten Ablöse fließt auf sein Konto.
Quelle Die Welt