Die Süddeutsche Zeitung fasst alles wunderbar zusammen:
Fußball-Bundesliga
Tanz bis Mitternacht
Absteiger Arminia Bielefeld kann mit Millionen rechnen, wenn die alte Führung geht. Rebellische Fans und Gerüchte um Lothar Matthäus erschweren den Umbruch.
Von Michael König
Harte Zeiten für die Arminia-Fans: In Bielefeld herrscht nach dem erneuten Bundesliga-Abstieg Redebedarf. (Foto: dpa)
Liza Minnelli war vergangene Woche in der Bielefelder Stadthalle zu Gast. Sie soll einen tollen Auftritt hingelegt haben. Mit einer Stimme so kräftig, dass ihre Hits lange nachhallten. "Losing my mind" heißt einer von Minnellis Hits - für den Fußballklub Arminia Bielefeld, der seine Hauptversammlung am Montagabend in der Stadthalle abhält, ist das ein treffendes Motto.
Die Arminia ist aus der ersten Bundesliga abgestiegen, damit hat sie Erfahrung. Sieben Mal ging es hinab. Die Tränen trockneten meist schnell, ein Ostwestfale lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Und weil die Vereinsführung mit wenig Geld in unbekannte, aber talentierte Spieler investierte, ging es genauso oft wieder hinauf. Diesmal ist jedoch alles anders: Die Wut der Fans hält sich hartnäckig. Die Vereinsführung agiert kopflos. Der Etat könnte trotz des Abstiegs wachsen. Und statt den üblichen Nobodys sind einige der buntesten Paradiesvögel im Gespräch, die der deutsche Fußball zu bieten hat.
Eichbergs Eigenwerbung
Das kurioseste Angebot kam aus dem Kurort Bad Bertrich: Der dortige Bürgermeister heißt Günter Eichberg, war einst Präsident von Schalke 04 und hinterließ dem Klub 1993 einen Schuldenberg. Der Arminia bot er sich als Präsident an, als Berater hätte er den ehemaligen Schalke-Manager Rudi Assauer eingespannt. Kurz darauf brachte die Bild-Zeitung ihren Kolumnisten Lothar Matthäus für den Trainerposten ins Gespräch.
Die Meinung der Fans zu Matthäus fiel gespalten aus: Nach Thomas von Heesen, Benno Möhlmann, Uwe Rapolder und zuletzt Frontzeck und Berger sei das "immerhin mal ein Name, der für Aufmerksamkeit sorgt", hieß es aus Kreisen der Bielefelder Ultras. In einer Internetumfrage unter Arminen-Fans rangiert Matthäus auf Platz drei - hinter dem ehemaligen Schalker Coach Mirko Slomka, dem derzeit wohl aussichtsreichsten Kandidaten. Die meisten Klicks erhielt allerdings eine Antwort, die für die Stimmung in Bielefeld bezeichnend ist: "Ein Butterbrot" solle den Job übernehmen.
Die neuen Herren
Das wäre allerdings wohl kaum mit den neuen Herren zu vereinbaren, die bei der Personalauswahl mitreden werden - schließlich haben sie im Gegenzug Unterstützung in Millionenhöhe versprochen. Zehn bis zwölf ostwestfälische Firmen wollen sich für die Arminia einsetzen, an der Spitze stehen die drei Unternehmer August Oetker (Dr. Oetker), Gerhard Weber (Gerry Weber International) und Dirk Hindrichs (Schüco). Nacheinander meldeten sie sich in der regionalen Presse zu Wort. Der Tenor: Die bisherige Klubführung schade dem Ruf der Stadt. Werde sie ausgetauscht, könne Arminia mit frischem Geld rechnen.
Ein Dorn im Auge ist den Unternehmern insbesondere Schatzmeister und Finanz-Geschäftsführer Roland Kentsch, der nach dem Abstieg behauptet hatte, die Stadt Bielefeld trage eine Mitschuld, weil sie den Verein unzureichend unterstützt habe. Kentsch gilt als besonders knorriges Exemplar eines Ostwestfalen - mit seinem Auftreten und seiner Machtfülle hat er sich bei Sponsoren und Fans in Misskredit gebracht. Während der ebenfalls umstrittene Präsident Hans-Hermann Schwick seinen Rücktritt in Aussicht gestellt hat, wollte Kentsch sein Amt behalten. Am Sonntag zogen Vorstand und Aufsichtsrat die Reißleine und beurlaubten den Geschäftsführer.
Fans bilden Opposition
Den Kritischen Arminen , einer oppositionellen Fan-Vereinigung, geht das nicht weit genug. Sie strebt den kompletten Umbruch an. Zunächst sah es so aus, als könne das Aufsichtsratsmitglied Klaus Daudel alle Seiten zufrieden stellen. Der 63 Jahre alte ehemalige Wirtschaftsmanager gilt als Favorit für die Schwick-Nachfolge. Weil er aber auch auf aktuelle Vorstandsmitglieder setzen will und ein klares Bekenntnis gegen Kentsch vermied, werfen ihm die Kritiker Halbherzigkeit vor.
Auch auf dem Feld der Diplomatie strauchelte Daudel: "Herr Matthäus wird auf absehbare Zeit keine Rolle in der deutschen Bundesliga spielen. Auch nicht bei uns", sagte er in der Neuen Westfälischen. Rekordnationalspieler Matthäus keilte zurück: "Ich habe es nicht nötig, meinen Namen von Leuten in den Schmutz ziehen zu lassen, die in ihrem Leben im Fußball noch nichts erreicht haben." Bielefelds Torjäger Artur Wichniarek teilte im gleichen Medium mit: "Die Leute in unserem Verein, die gegen Lothar sind, haben vom Fußball nicht die geringste Ahnung. Das ist respektlos."
Gegenkandidat Obermann
Die Kritischen Arminen gaben sich lange gewillt, Daudel zu unterstützen. Der designierte Präsident sagte jedoch, er habe Zweifel, "ob es wirklich gut ist, wenn Gruppen Einfluss nehmen wollen, die sich außerhalb von Arminia bilden". Nun hat die Opposition eigene Kandidaten für die Vorstandswahl aufgestellt. Zum Präsidenten wollen sie den Berliner Finanzmanager Dirk Obermann, 48, wählen. Daudel verschärfte daraufhin den Ton: Er betrachte die Kritiker "nicht als Arminen. Sie zerstören viel und behindern unsere Arbeit."
Die Teilnehmer der Hauptversammlung in Bielefeld dürfen sich auf eine lange Nacht gefasst machen - der Verein weist daraufhin, die Veranstaltung könne bis nach Mitternacht dauern. Auch für diesen Anlass hat Liza Minnelli einen Hit im Angebot: "Dancing in the moonlight".
(SZ vom 22.06.2009/jbe)