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ZitatAlles anzeigenTod eines Polizisten bei Fußballkrawallen in Catania
Neue Ermittlungen schockieren Italien
Erst vor kurzem hat Italiens Parlament ein Hooligan-Gesetz erlassen - als Reaktion auf den Tod eines Polizisten bei Krawallen in Sizilien vor zwei Monaten. Nun schockieren neue Berichte die Italiener: Möglicherweise ist der beschuldigte Hooligan unschuldig, der Polizist starb vielleicht bei einem Unfall mit einem Kollegen.
Von Jörg Seisselberg, ARD-Hörfunkstudio Rom
Die Welt hat sich empört und Italien seine Gesetze umgeschrieben. Jetzt, mehr als zwei Monate später, kommt heraus: Es war möglicherweise alles ganz anders.
[Bildunterschrift: Trauerfeier für getöteten Filiipo Raciti: War es ein tragischer Unfall mit einem Kollegen? ]
Bislang ist die Öffentlichkeit davon ausgegangen, dass der Polizist Filippo Raciti bei den Fußball-Fankrawallen Anfang Februar in Catania von Hooligans brutal erschlagen wurde. Die Zeitschrift "Espresso" aber enthüllt in ihrer aktuellen Ausgabe: Ein Kollege des getöteten Polizisten, der 46 Jahre alte S. L., hat ausgesagt, er habe Raciti im Einsatz am Stadion mit einem Polizeigeländewagen möglicherweise angefahren und dabei schwer verletzt. In einem medizinischen Gutachten, aus dem der "Espresso" zitiert, heißt es: Es sei wahrscheinlich, dass die tödlichen Verletzungen Racitis durch den Zusammenstoß mit dem Polizeigeländewagen verursacht wurden.
Hinweise bereits seit acht WochenWas in Italien für Kopfschütteln sorgt: Die Aussage des Kollegen, der Raciti angefahren hat, liegt Polizei und Justiz bereits seit acht Wochen vor, ist aber bis heute geheim gehalten worden. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt nach wie vor einen minderjährigen Fußballfan, der in Untersuchungshaft sitzt. Er soll, so der Vorwurf der Ermittler, den Polizisten während der Krawalle mit Teilen eines Waschbeckens erschlagen haben.
An dieser Darstellung allerdings gab es schon bislang Zweifel. Denn die Justiz in Catania, die nach der Empörung über die Fanausschreitungen unter großem Erfolgsdruck steht, präsentierte innerhalb weniger Tage drei verschiedene Versionen zur vermeintlichen Ursache für den Tod des Polizisten.
Zunächst war von einer durch Hooligans geworfenen Papierbombe die Rede, dann von Angriffen mit einer Eisenstange und zuletzt von Attacken mit Teilen eines aus der Halterung gerissenen Waschbeckens. Videobilder des vermeintlich tödlichen Angriffs aber konnten die Ermittler bis heute nicht präsentieren.
Minderjähriger sitzt seit Wochen in UntersuchungshaftTrotzdem wurde der minderjährige Fußballfan als mutmaßlicher Mörder des Polizisten der Presse präsentiert und in Untersuchungshaft gesteckt. Zu diesem Zeitpunkt, räumt die Staatsanwaltschaft in Catania jetzt ein, lag die Aussage des Kollegen Racitis' der Justiz bereits vor. Der 46-Jährige gibt an, er habe den Polizeigeländewagens im Chaos der Krawalle mit einem gewissen Tempo zurückgesetzt - dabei habe er einen heftigen Stoß am Auto gehört und danach den verletzten Raciti gesehen, der von Kollegen gestützt wurde.
Grafik: Stadion in Catania: Nach dem Tod von Filippo Raciti wurden die Spiele des Vereins in andere Stadien verlegt]
Was die bisherige Version, der Polizist sei von Hooligans erschlagen wurde, völlig ins Wanken bringt, ist der zeitliche Ablauf der Ereignisse. Laut Videoaufnahmen haben die Auseinandersetzungen mit den Hooligans direkt am Stadion, die angeblich zum Tod Racitis geführt haben, kurz nach 19 Uhr stattgefunden. Der Zusammenstoß mit dem Polizeigeländewagen hat sich um 20.20 Uhr ereignet - fast eineinhalb Stunden später. Zwischen den Auseinandersetzungen mit den Hooligans und dem Unfall, sagen Kollegen aus, habe Raciti problemlos und ohne sichtbare Beschwerden seinen Dienst getan. Erst nachdem er durch den Polizeiwagen angefahren wurde, habe er über stechende Schmerzen und Atemnot geklagt.
Drastische Verschärfung der GesetzeDie jetzt bekannt gewordene Aussage, kritisiert ein kommunistischer Parlamentsabgeordneter, werfe ein völlig anderes Licht auf den Fall und lasse vermuten, dass der Tod des Polizisten ein "tragischer und banaler Unfall" war. An der Beerdigungsfeier für Raciti im Februar beteiligten sich mehrere zehntausend Menschen, auch internationale Fernsehsender hatten darüber berichtet. In Italien hat die Empörung über den angeblich von gewalttätigen Fußballfans erschlagenen Polizisten zu einer drastischen Verschärfung der Anti-Hooligan-Gesetze geführt.