Poker um neuen TV-Vertrag
1,5 Milliarden Euro für die Liga?
Um 18.10 Uhr begrüßte Reinhold Beckmann gestern abend wieder die Zuschauer der „Sportschau“. Alle Spiele, alle Tore – nicht einmal 60 Minuten nach dem Abpfiff in den Bundesliga-Stadien. Für Millionen Fußball-Fans seit Jahrzehnten (bei wechselnden Sendern) der
perfekte Start ins Wochenende.
Doch schon sehr bald kann diese Tradition jäh enden. Während die Fans um Titel und Abstieg fiebern, pokern die Liga-Bosse um die Zukunft der Bundesliga. Bei dem neuen Vertrag ab der Saison 2006/07 geht es um Milliarden. Da ist nichts tabu. Es ist sogar denkbar, daß ab 2006 von manchen Spielen bis auf die Tore nichts mehr im frei empfangbaren TV zu sehen ist. Und daß zumindest ein Spiel am Samstag schon um 13 Uhr angepfiffen wird.
Die Bundesliga-Revolution.
Der Hintergrund ist klar: Mit aller Macht wollen die Klubs ihre Erträge aus dem TV-Geschäft steigern. Um neue Stars zu kaufen. Oder die horrenden Schulden abzubauen. Derzeit kassiert die Liga rund 300 Mio Euro im Jahr vom TV. „Damit sind wir international nicht mehr konkurrenzfähig“, schimpft Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge und fordert „mittelfristig mindestens 500 Millionen Euro“. Wären 1,5 Milliarden für den angestrebten Drei-Jahres-Vertrag.
Daß ARD (60 Mio im Jahr), ZDF (10 Mio) oder das DSF (12 Mio) künftig in diese Dimensionen vorstoßen, gilt als undenkbar. Den weitaus größten Teil der 500 Mio, da sind sich alle Experten einig, müßte Premiere (derzeit 180 Mio pro Jahr) spendieren. Zumal beim Pay-TV-Sender die Kasse nach dem Börsengang prall gefüllt ist. Premiere-Chef Georg Kofler ist auch bereit mehr zu zahlen – allerdings nur unter einer Bedingung: „Wir brauchen mehr Exklusivität.“ Denn nur dann steigt der Anreiz für den Kauf der Premiere-Abos (Komplett-Sportprogramm kostet 25 Euro pro Monat, ein Spiel pro Woche 5 Euro, Decoder extra).
Im Klartext: Zumindest am Samstag müsste die Zusammenfassung der Spiele frühestens ab 22 Uhr gesendet werden – das Aus für die 18.10-Sportschau. Ein Liga-Boß zu BamS: „Im Interesse der Pay-TV-Gelder müssen wir die heilige Kuh Sportschau schlachten.“
Zudem verlangt Premiere mehr Sendetermine. Als sicher gilt bereits, daß ab der übernächsten Saison wieder freitags gespielt wird. Uli Hoeneß: „Für Vereine, die wie Kaiserslautern, Bremen oder Bochum ihre Zuschauerstruktur im Umfeld haben, ist das sowieso sehr attraktiv.“ Premiere will, daß die Konkurrenz von diesen Freitag-Spielen nur noch um Mitternacht die wichtigsten Torszenen im Sekundenraffer zeigen darf – genau wie momentan bei den deutschen Champions League-Spielen, die SAT1 nicht live zeigt.
Nur sonntags bliebe dann noch Alles beim Alten: 2 Spiele um 17.30 Uhr (live bei Premiere), Zusammenfassung ab 19.15 Uhr bei DSF oder RTL. Der Kölner Sender hat nach BamS-Informationen jedenfalls Interesse.
Samstags würden dagegen womöglich sogar nur noch vier Spiele um 15.30 Uhr angepfiffen. Denn seit Monaten gibt es in der DFL Planspiele zumindest ein Samstag-Spiel bereits auf 13 Uhr vorzuziehen, um so den asiatischen Markt aufzubohren. In Japan oder in China wäre diese Partie dann zur besten Sendezeit am Abend zu sehen. Die englische Premier-League verdient dort mit den Mittag-Spielen Millionen. Werder-Aufsichtsratschef Willi Lemke: „Warum soll bei uns nicht funktionieren, was in England, also im Mutterland des Fußballs, längst akzeptiert ist? Ich wäre gespannt, was die Fans darüber denken.“
Das ist in der Tat die alles entscheidende Frage: Denn schon einmal scheiterte der Versuch, die Gewohnheiten der deutschen Fans zu ändern. Noch in der Hinrunde der Saison 2001/02 mußte SAT 1 nach einem dramatischen Quoten-Einbruch „ran“ von 20.15 Uhr wieder auf 19 Uhr vorziehen.
Diesmal geben sich die Liga-Bosse optimistischer. Lemke: „Entscheidend ist, daß die Liga den Fans vermitteln kann, wie wichtig höhere Einnahmen sind. Und ich bin sicher, daß unsere Fans auch in Zukunft hochklassigen Fußball und Topspieler in der Bundesliga sehen wollen.“ Auch DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger ist auf Modernisierungskurs: „Der Fußball darf sich auf Dauer nicht vor sich selbst schützen. Der DFB läßt 40 Millionen Euro im Jahr in die Breite fließen. Wenn man die Spitze gefährdet, ist auch der Amateurfußball an der Basis gefährdet.“
Der Weg scheint frei für die Bundesliga-Revolution.