Auf der Bielefelder Alm reifen große Träume
Trainer Möhlmann (r.), seit 2000 im Verein, und Ansgar Brinkmann (seit 2001) stehen für Arminias Aufschwung
München - Brasilianische Fußball-Profis verirren sich recht selten nach Bielefeld. Einer von ihnen glaubte, dass Bielefeld in der Nähe von Hannover liegt und fuhr mit dem Taxi dorthin. Etwa 142 Euro dürfte ihn die 120-Kilometer-Fahrt gekostet haben.
Meistens tauchen Brasilianer nur zu Auswärtsspielen beim Deutschen Sport Club Arminia in Bielefeld auf. Marcio Borges ist da eine Ausnahme. Der Abwehrspieler, der seit 1999 bei den Arminen unter Vertrag steht, ist Bielefelds erster Bundesliga-Brasilianer.
Bielefeld seit sechs Spielen ungeschlagen
Brasilianisch ist nur eine von elf Nationaltitäten bei der Arminia. Die meisten, vier von ihnen, kommen aus Polen. Artur Wichniarek ist einer von ihnen. "Es ist schon okay in Bielefeld", sagt der polnische Nationalstürmer gegenüber Sport1, "die Stadt ist zwar nicht so groß, aber von der sportlichen Seite ist es super gelaufen."
Stimmt beides. 325.000 Einwohner hat Bielefeld und belegt im ersten Jahr nach dem insgesamt sechsten Bundesliga-Aufstieg Platz zehn in der Tabelle, ist seit sechs Partien ungeschlagen. Und dafür gibt es Gründe.
Schluss für van der Ven in Bielefeld
"Der Teamgeist, der bei uns herrscht, ist sicherlich eine sehr gute Waffe, um in der Ersten Liga bestehen zu können", erklärt Kapitän Bastian Reinhardt im Sport1-Gespräch.
Und dann ist da Benno Möhlmann, seit Oktober 2000 Trainer der Arminen. Ein Mann, der für Ruhe, Sachlichkeit und eine klare Linie steht.
Stürmer Dirk van der Ven spielte in Möhlmanns Planungen keine Rolle mehr. Sein Vertrag wurde noch während der laufenden Saison aufgelöst. Immerhin darf der Glatzkopf jetzt in einer größeren Stadt gegen den Ball treten. Van der Ven wechselt ins etwa zehn Mal so große Yokohama.
"Weißer Brasilianer" kommt zur Entfaltung
Möhlmann steht aber auch für Einfühlungs-Vermögen. Das "Enfant terrible" Ansgar Brinkmann kann sich unter dem Trainer voll entfalten und seine "brasilianischen" Fähigkeiten in den Dienst der Mannschaft stellen. In Bremen trug er mit einer überragenden Leistung dazu bei, dass die Arminen einen Punkt holten. Brinkmann kennt die Vor- und Nachteile des fußballerischen Provinzlebens.
"Hier in Bielefeld ist doch alles relativ klein und überschaubar. Da kann man ja auf Schritt und Tritt beobachtet werden", meint der 33-Jährige im Sport1-Interview, "normalerweise müsste ich mir Essen auf Rädern kommen lassen oder im Supermarkt übers Internet bestellen. Das wäre oft angenehmer als rauszugehen."
Von Heesen baut auf sukzessive Entwicklung
Essen auf Rädern statt VIP-Logen, dieses Gefühl kann einen auch im Stadion der Arminia beschleichen. Das trägt den beschaulichen Namen "Alm", seit ein Vereinsmitglied in der Anfangsphase des Sportplatzes im Anblick der aufgeschütteten Erdwälle für die Zuschauer diese Parallele zog.
Kein Vergleich zu den Multifunktions-Arenen in ähnlichen "Fußball-Kleinstädten" wie Leverkusen oder Wolfsburg. Das weiß auch Manager Thomas von Heesen. "Wir müssen Schritt für Schritt tätigen", sagt er im Gespräch mit Sport1, "Unser primäres Ziel heißt, den Klassenerhalt zu schaffen. Dann gilt es, die Mannschaft weiter zu entwickeln, sukzessive zu verstärken."
In die Zukunft mit Cha und Heinz
Das war in den letzten Jahren nicht immer so. Meistens verließen zehn oder mehr Spieler am Saison-Ende den Verein. Substanz konnte nicht entstehen, oder gehalten werden. "Stellen Sie sich einmal vor, welche Mannschaft wir heute hätten, gäbe es hier noch einen Reina, Meißner, Gerber, Rydlewicz oder Friedrich", sagt von Heesen.
Der Anfang soll mit Doo-Ri Cha und dem Bundesliga-erfahrenen Marek Heinz gemacht sein. "Dann heißt es, sich zu etablieren. Erst dann können wir mittelfristig planen", so von Heesen.
Internationales Geschäft als Ziel
Dann soll im Briefkopf unter "Erfolge" mehr stehen als Rekord-Aufsteiger, Platz acht in der Bundesliga oder Westfälischer Meister. "Da stelle ich mir dann durchaus schon das Erreichen des internationalen Wettbewerbs vor", umreißt von Heesen das Ziel. In vier oder fünf Jahren will der Manager so weit sein.
Sollte das ehrgeizige Projekt gelingen, werden Borges und Brinkmann sicherlich bald nicht mehr die einzigen Brasilianer bei Arminia sein.
Dirk Burkhardt