Damit man mal was anderes als die Bild zu lesen bekommt, hier mal ein Artikel aus der Frankfurter Rundschau über unseren Trainer:
Arme Arminia
Frische Luft im Zweitliga-Keller
Christian Ziege kämpft als Trainer und Sportchef der bettelarmen Ostwestfalen um den eigenen Ruf und die Zukunft des Traditionsklubs. Am Freitag geht's zum Derby nach Paderborn.
Zwischen Frust und Lust: Christian Ziege.
Christian Ziege ist bestimmt kein Mensch, der den leichten Weg sucht. Für Borussia Mönchengladbach hat der 72-fache Nationalspieler sich vor ein paar Jahren vom mächtigen Sportdirektor freiwillig zum Co-Trainer degradiert und zudem selbstlos seine Trainerausbildung hingeworfen. Den Schein hat der 38-jährige mit erstem Wohnsitz Hannover (wegen der Internationalen Schule für die Kinder) inzwischen im zweiten Anlauf gebaut, ehe er ein Himmelfahrtskommando antrat: Arminia Bielefeld, die ärmste Kirchenmaus im deutschen Lizenzfußball. „Genau das“, sagt Ziege, „hat für mich den Reiz ausgemacht.“ Also setzte der dreifache Familienvater Ende Mai seine Unterschrift trotz der drohenden Insolvenz des Traditionsvereins unter einen Zweijahresvertrag.
Nun ist er „Trainer mit weitergehenden sportlichen Leitungsaufgaben“, ein Felix Magath reloaded sozusagen. Und wie sein Bundesligakollege erlebte auch der Ziege mit neuerdings dem Status als Trainer angemessenen kürzeren Haaren das, was in der Branche als „klassischer Fehlstart“ tituliert wird. Vorm ostwestfälischen Derby am Freitag in Paderborn hockt Bielefeld auf dem vorletzten Platz der zweiten Liga. Mit einer Mannschaft, die Ziege unter schwierigsten Bedingungen zusammenstellen musste. „Ich kann Ihnen jetzt natürlich nicht im Detail sagen, was manche Spieler hier verdienen, Sie würden kaum glauben, wie wenig das ist“, erzählt er am Telefon und wirkt dennoch im Angesicht einer „brutal schweren Saison“ nicht wie einer, der Zweckoptimismus zur Schau trägt.
Der Eindruck aus der Ferne, in Bielefeld herrsche Beerdigungsstimmung, könnte also trügen. Es mache „wahnsinnig viel Spaß, hier zu arbeiten“, versichert Ziege, die Begegnung in Paderborn komme gerade recht, „da können wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Das Derby gewinnen und drei Punkte holen.“ Bei der Jahreshauptversammlung der Arminia hat Ziege allerdings auch vernommen, dass eine Niederlage gegen den kleinen Nachbarn von den Arminia-Fans mitsamt der regionalen Medien ohne Nachsicht hingenommen würde. Derzeit nimmt der Italien- und England-gestählte Ex-Profi die Fans als „unglaublich positiv“ wahr, „wir bekommen hier die volle Unterstützung, obwohl die Leute sehr viel mitgemacht haben.“
Staatsanwalt ermittelt
Das stimmt allerdings genau. Weil der Neubau der Haupttribüne mit 5600 Sitzplätzen 19 statt der ursprünglich veranschlagten elf Millionen Euro kostete, stand der 2009 aus der Bundesliga abgestiegene Traditionsverein Ende Mai 2010 vor dem Ruin, inzwischen gab es sogar Besuch von der Staatsanwaltschaft, die die Geschäftsräume durchsuchte und gegen den ehemaligen Finanzchef und den Ex-Präsidenten ermittelt.
Die drohende Insolvenz und die Lizenzverweigerung hatte zwar in einem Kraftakt unter Mithilfe der örtlichen Wirtschaftsunternehmen Gerry Weber, Schüco und Oetker unter erheblichen Auflagen durch die Deutsche Fußball Liga abgewendet werden können, die besten und teuersten Spieler mussten aber verkauft werden. Die Neuen kamen, neben dem in die Jahre gekommenen Stareinkauf Oliver Neuville (37), zum Teil von Ersatzbänken der Jugendteams von Ligakonkurrenten. „Ohne Netz und doppelten Boden“, habe Ziege seinen Job angetreten, sagen nahe Beobachter mit Hochachtung. Der Trainer-Manager selbst sieht es nun als größte Herausforderung an, der durch fünf Niederlagen verunsicherten Mannschaft „Vertrauen in sich selbst“ zu vermitteln.
Von seiner bereits halblaut kritisierten Maßgabe, „nicht unbedingt immer mit dem selben System“ in ein Spiel zu gehen, will Ziege nicht abgehen, es sei nun mal so, fügt er lakonisch an, „dass einem das in unserer Situation als Ratlosigkeit ausgelegt wird, während es bei Mainz 05 derzeit als Heldentat gefeiert wird“.
Die von den Geldgebern in der größten Not geforderten neuen Strukturen gerade in der Jugendförderung hat Ziege umgehend vorangetrieben. Beim Trainerlehrgang lernte er Thomas Krücken kennen, der sich im Nachwuchsbereich von Hertha BSC Berlin, Manchester City und dem 1. FC Köln einen sehr guten Ruf erworben hatte. Ziege gelang es, Krücken für die Aufgabe bei der Arminia zu erwärmen. In der ostwestfälischen Provinz, wo sich auf 116 Kilometer süd-östlich (Dortmund), und 112 Kilometer nord-westlich (Hannover) keine Bundesligakonkurrenz herumtreibt, soll der Arminia künftig keines der größten regionalen Talente mehr entgehen. Internat, Trainerakademie, Fußballschule − Ziege und Krücken planen die Zukunft der Arminia. Ob sie aber schnell genug sein werden, der Vergangenheit damit zu entwischen?
http://www.fr-online.de/sport/…2784/4687428/-/index.html