Aus der NW von heute:
"Schwer angeschlagen in der Ecke
ARMINIA: Viele selbstkritische Töne nach der peinlichen 0:2-Heimpleite gegen Mönchengladbach
VON RAINER KLUSMEYER
Bielefeld. Hinterher – die rund 16.000 Bielefelder unter den nur 21.731 Zuschauern hatten gefrustet, verärgert, desillusioniert, entsetzt den Schauplatz der 0:2 (0:1)-Niederlage verlassen – bewiesen die Arminia-Verantwortlichen eine gewisse Klasse. „So viele Abspielfehler auf einmal sieht man selten“, staunte Präsident Hans-Hermann Schwick. „Wir waren die klar schlechtere Mannschaft“, gestand Finanz-Geschäftsführer Roland Kentsch ein. „Ich kann mich nur in aller Form für das, was wir geboten haben, entschuldigen“, sagte Thomas von Heesen.
Als der Trainer diesen Satz platzierte, hatte die Vereins-Führungsriege bereits eine spontane Krisenbesprechung im Presseraum der Schüco-Arena hinter sich. In einer Ecke mit kreideweißem, gequältem Gesichtsausdruck Sportdirektor Reinhard Saftig. Um ihn herum mit gesenktem Haupt diskutierend Kentsch und die Vorstandsmitglieder Andreas Mamerow und Albrecht Lämmchen. Eine Cola in der Hand und fast eine Minute lang ausdruckslos ins Leere starrend Präsident Schwick. Das „Scheißspiel“ (Schwick in ungewohnt drastischer Wortwahl) hatte allen die Laune restlos verdorben.
Statt aus einer gelungenen Vorsaison und „ordentlichen Leistungen“ (Schwick) in den ersten vier Spielen dieser Serie Selbstbewusstsein zu schöpfen, geht es stetig bergab. Trotz optischer Überlegenheit eine karge Nullnummer gegen den 1. FC Kaiserslautern, gefolgt von einer miserablen ersten Halbzeit samt 0:2-Niederlage in Dortmund und nun diesem 0:2 gegen die seit Menschengedenken auswärts sieglose Borussia aus Mönchengladbach, die bei ihren Treffern durch Peer Kluge (32. Minute) und Oliver Neuville (68.) keinen nennenswerten Widerstand zu überwinden hatte.
Auf der Suche nach stichhaltigen Erklärungen für die in fast allen Belangen Bundesliga untaugliche Leistung tat sich die Führungsriege ähnlich schwer wie zuvor die 13 eingesetzten Feldspieler bei dem Versuch, Struktur ins wirre, leidenschaftslose Geschehen zu bringen. Hat das 0:0 gegen Lautern einen Knacks versetzt, wie Kentsch mutmaßt? Ist im Bundesliga-Spiel vergessen, wie die immer wieder im Training einstudierten Laufwege des Mitspielers aussehen, wie Schwick kritisierte? Hat sich die Mannschaft etwa eingeredet, dass sie weder Führungsspieler noch Selbstvertrauen hat, wie Saftig befürchtet?
„Irgendetwas muss geschehen“, formulierte der Sportchef als etwas diffuse Forderung an den Trainer, der „schon das Richtige machen wird“. Thomas von Heesen weiß zumindest, was er von sich und seinem Team verlangt. „Die erste Halbzeit war eine der schlechtesten, die ich je als Spieler oder Trainer erlebt habe“, urteilte der Ex-Profi nüchtern: „Dafür bin ich als Coach verantwortlich und habe somit jetzt die Aufgabe, knallhart durchzugreifen. Zukünftig werden nur noch Spieler zum Einsatz kommen, die dem Druck mental gewachsen sind.“
Ansatzpunkte zur Detailkritik boten die 90 Minuten gegen Gladbach, in denen Arminia nicht eine einzige echte Torchance herausspielte, zuhauf.
´ Mangelnder Mut: „Wenn ich im Strafraum eins zu eins gegen einen Jeff Strasser stehe, muss ich auch mal draufgehen“, an die Adresse der zögerlichen Stürmer.
´ Fehlende Identifikation mit der Spielidee: „Der ein oder andere spielt einfach um zu spielen, aber nicht um die eingeübten Abläufe anzuwenden“, als Vorwurf an Individualisten wie Nebojsa Krupnikovic oder Isaac Boakye.
´ Ungenügende Bereitschaft, das Heft in die Hand zu nehmen: „Natürlich fehlen uns mit Kauf, Gabriel und Vata drei Führungsspieler der Vorsaison – aber auch jeder andere darf jederzeit gerne Akzente setzen. Es kann nicht sein, dass wir mit Mathias Hain und Michael Fink, der sich allerdings noch nicht so richtig traut, derzeit nur eineinhalb Führungsspieler haben", als Generalkritik an allen anderen, die dazu neigen, sich in der persönlichen Entwicklung ein gutes Stück weiter zu sehen.
„Das Tollste ist“, stellte Reinhard Saftig mit Verblüffung fest, „dass wir trotzdem immer noch nicht auf einem Abstiegsplatz stehen“."
"Die unerträgliche Pein des Tschechen
ARMINIA: Gabriel leidet auf der Tribüne mit und nimmt sich Kobylik und Kucera zur Brust
VON PETER BURKAMP
Bielefeld. Kaum hatten Radim Kucera und David Kobylik die Gardinenpredigt von Trainer Thomas von Heesen mühsam verdaut, gabs schon die nächste Standpauke. Petr Gabriel fing seine beiden Landsleute nach dem 0:2 gegen Gladbach noch vor der Kabine ab. Der verletzte Verteidiger sah blass aus und wirkte um Jahre gealtert. Von der Tribüne aus hatte Gabriel das grausige Treiben seiner Teamgefährten mitangesehen. Die erste Welle des Frustes entlud sich über seinen Landsleuten.
Gabriel war sauer. Sauer auf sich selbst, „weil ich nicht mithelfen kann“ und sauer auf die Mannschaft, weil sie dem Gegner das Punkten so leicht macht und dadurch fahrlässig den Klassenerhalt aufs Spiel setzt. „Das war eine leblose Vorstellung“, sagte Gabriel. Der Tscheche hatte so sehr unter den vorausgegangenen 90 Minuten gelitten, dass seine Seelenpein in jedem seiner Sätze zu spüren war. „Es ist schlimm für ihn, nur zuzusehen und nicht eingreifen zu können“, berichtete Kobylik.
Gabriel trifft die aktuelle Misere besonders hart, weil er nach einem Jahr Aufstiegs- und einem Jahr erfolgreichen Abstiegskampfes genau zu wissen glaubt, was der Mannschaft fehlt: „Sie muss mehr Herz und Einsatz zeigen.“ Es dürfe nicht sein, dass der Gegner den Ball über vier, fünf Stationen laufen lasse. Gladbachs Fukal jedenfalls erinnerte sich, dass es gegen die Arminia der Vorsaison nicht so leicht gewesen war. „Da hätte es eher was auf die Knochen gegeben“, überlieferte Gabriel aus seinem Gespräch mit seinem tschechischen Landsmann. Nur zu gern würde Gabriel die Ärmel aufkrempeln, seinem Freund Mathias Hain beispringen, den er als einsamen Rufer in der Wüste sieht, und „die Psychologie der Mannschaft verbessern“.
Da es wohl noch drei bis vier Wochen dauert, ehe Gabriel wieder voll dabei ist, versucht er wenigstens verbal ein wenig Einfluss zu nehmen. Radim Kucera und David Kobylik, die häufiger mit Gabriel zusammenhocken, werden es ihrem Freund nachsehen. Auch ohne dessen offene Worte wären beide nicht glücklich über ihren ersten Auftritt von Beginn an gewesen.
Kucera hätte es sein wollen, „wenn das Ergebnis gestimmt hätte. Aber ich kann nicht glücklich sein, weil ich nicht mithelfen konnte, ein positiveres Resultat herauszuholen“, meinte Arminias neue Nummer 31. Der Defensiv-Allrounder erntete nach dem Spiel Lob. „Sein Spiel war in Ordnung. Er hat in der ersten Halbzeit gut antizipiert und gute Pässe geschlagen“, sagte Sport-Geschäftsführer Reinhard Saftig. Kobylik kam bei den Verantwortlichen weniger gut davon. „Ich hatte schon befürchtet, der kriegt einen Herzinfarkt“, sagte Trainer Thomas von Heesen nach der hektischen Startphase des Linksaußen. „Ich wollte mein Bestes geben. Dabei wollte ich wohl ein bisschen zu viel“, sagte Kobylik selbstkritisch. Nach einem ordentlichen Beginn hätte Arminia dem Gegner zu viel Raum gelassen. „Nach dem Rückstand konnten wir machen, was wir wollten, wir hatten keine Torchance mehr“, meinte Kobylik.
Die Kritik von Petr Gabriel hatte sich Kobylik schon zu Herzen genommen und als Devise für die kommenden Runden ausgegeben: „Wir müssen als Mannschaft besser spielen und den Gegner viel mehr unter Druck setzen.“ Gelingt das, würde Petr Gabriel das Zuschauen sicherlich auch wieder Spaß machen."
----- Zitatende ---------
Da Selbsterkenntnis bekanntlich der erste Schritt zur Besserung ist, besteht ja noch ein bisschen Hoffnung. Man wird sehen, ob Mannschaft und Trainer ihr Selbstkritik auch umsetzen können.