"Wir stopfen keine Löcher"
INTERVIEW: Dirk U. Hindrichs, Sprecher der Unternehmerinitiative für Arminia Bielefeld
VON STEFAN SCHELP UND RAINER KLUSMEYER
Arminia muss aufräumen, sonst gibt es kein Geld von der Wirtschaft, sagt Schüco-Chef Dirk U. Hindrichs im Interview mit Thomas Seim, Rainer Klusmeyer und Stefan Schelp.
Herr Hindrichs, haben Sie trotz der neuen Nachrichten über Arminia gut geschlafen?
DIRK U. HINDRICHS (lacht): Die Wucht der Nachricht hat mich schon überrascht. Ich hätte mir gewünscht, dass ich das nicht aus der Zeitung erfahren hätte. Andererseits: Ein Fußballverein lebt – mal von den guten, mal von den nicht ganz so guten Nachrichten. Es ist richtig von Arminia, dass der Verein, auch wenn er schlechte Nachrichten zu verkaufen hat, damit in die Öffentlichkeit geht.
Sie haben erst am Tag danach von den Vorgängen erfahren?
HINDRICHS: Das ist wahr.
Wie ernst ist die Lage tatsächlich?
HINDRICHS: Das kann ich nicht wirklich sagen. Aber ich glaube, auch die Vereinsgremien sind überrascht worden. Eigentlich ist es ein ganz normaler Prozess, dass ein Jahresabschluss vorgelegt wird und der Wirtschaftsprüfer ihn prüft. Das ist in jedem Wirtschaftsunternehmen so. Und Arminia ist ein ganz normales Unternehmen mit 30 Millionen Euro Umsatz. Wenn der Jahresabschluss kommt, dann kann das durchaus sein, dass die Zahlen aus der Betriebswirtschaft und aus dem Controlling nicht übereinstimmen. Ob man da, und wenn ja, wem man einen Vorwurf machen soll, kann ich nicht beurteilen. Anzumerken ist aber: Mit professionellen Strukturen hat das nichts zu tun. Ich glaube aber nicht, dass der Verein jetzt in die Insolvenz geht. Ich glaube auch nicht, dass das zu einem unüberwindbaren Problem wird. Aber die Lage ist sicherlich ernst.
Fordert die Wirtschaft jetzt Köpfe?
HINDRICHS: Nein, tut sie nicht. Die Wirtschaft sagt seit Mitte letzten Jahres: Das geht so nicht. Da ist nicht eine Einzelperson, da ist die Struktur schuld. Und dieses Strukturproblem muss der Verein lösen.
Was bedeutet diese Situation für das Engagement von Unternehmen?
HINDRICHS: Unser Mandat lautete bisher: Was muss man tun, um Arminia eine wesentlich bessere Zukunft zu ermöglichen. In dieser Woche sprechen wir allerdings darüber, dass der Verein ein gravierendes Finanzloch hat. Das hat mit unserem eigentlichen Projekt nichts zu tun und verändert die Ausgangslage völlig.
Für das Loch gibt es kein Geld?
HINDRICHS: Würden Sie in ein schwarzes Loch investieren?
Es könnte Sinn machen, kurzfristig Löcher zu stopfen, um danach langfristig zu helfen.
HINDRICHS: Das kann doch überhaupt erst funktionieren, wenn man eine Plattform hat, die belastbar ist. Also müssen sich alle Beteiligten erst einmal zusammensetzen und dafür sorgen, dass man ein Zahlenwerk hat, das den jetzigen Umständen entspricht und den Stempel eines unabhängigen Wirtschaftsprüfers hat.
Die sportliche Leitung braucht für die Saisonplanung Zahlen, mit denen sie wirtschaften kann, sie muss wissen, wie viel Unterstützung von der Wirtschaft kommt.
HINDRICHS: Alle Beteiligten sind daran interessiert zu verstehen, wie innerhalb so kurzer Zeit aus einer Situation "Alles ist okay" ein Riesenproblem geworden ist. Ich habe das noch nicht verstanden. Das müssen wir neu bewerten. Danach kann man erst sagen: Darauf setzen wir auf.
Kann das Einfluss haben auf das Engagement der Wirtschaft?
HINDRICHS: Das Werben für unseren Plan wird nicht leichter.
Haben Sie heute Morgen schon Abmeldungen bekommen?
HINDRICHS: Ich habe es vorgezogen, nicht zu telefonieren.
Gehen Sie davon aus, dass die Unterstützerliste kürzer wird?
HINDRICHS: Ich glaube, dass es gut ist, dass wir nicht in dieser Woche Unterschriften sammeln. Wir müssen weiter am Konzept arbeiten. Teil davon wird sein, dass die Unternehmen eine Person ins Management von Arminia schicken, die sich mit Zahlen auskennt.
Wie lässt sich die Finanzlage nachhaltig verbessern?
HINDRICHS: Ein vernünftiges Konzept der Spielerentwicklung führt dazu, dass sich die Finanzen eines Vereins bessern. Schalke, Dortmund, Leverkusen spielen mit einer ganz jungen Mannschaft. Ein Spielerkader kann einem Verein grundsätzlich Stabilität geben.
Ist die Grundhaltung nicht eher: Wir brauchen Geld, damit wir in die Erste Liga kommen?
HINDRICHS: Ich glaube, wir würden uns alle darüber freuen, wenn wir einen Erstliga-Klub haben. Den Unternehmen geht es darum, den Standort Bielefeld interessant zu erhalten. Die Schlagzeilen dieser Woche tun der Region einfach nicht gut.
Konkret: Wie viel Geld gibt die Wirtschaft, um den Standortfaktor Arminia zu unterstützen?
HINDRICHS: Wünschen Sie mir Glück, dass wir möglichst viele Unternehmer bekommen, die mitmachen.
Wenn man etwas erreichen will, muss die Summe eher eine zweistellige als eine einstellige Millionensumme sein. Für die 15 Unternehmen, die ja offenbar auf der Liste stehen, ergäbe das je eine Million. Ist das realistisch?
HINDRICHS: Das glaube ich nicht. Die Gruppe der Unternehmen ist sicherlich noch nicht groß genug. Wir müssen wirklich zuerst wissen, wo der Verein finanziell steht. Dann kann man auf Unternehmen zugehen.
Wie gelingt es, Unternehmen von einem Arminia-Engagement zu überzeugen?
HINDRICHS: Fußball ist die Mediensportart schlechthin. Solange die Medien darüber berichten, hat das einen medialen Wert für alle Unternehmen. Zweites Argument ist, dass sich diese Unternehmen auch sonst in Ostwestfalen in überragender Art und Weise engagieren. Aber die Wirtschaft ist nicht bereit, sich kontinuierlich zu engagieren, sie ist bereit, einmal die Differenz zu überbrücken zwischen der tatsächlichen Situation und der gewünschten Situation.
Welchen Stellenwert hat dabei der sofortige Wiederaufstieg?
HINDRICHS: Es wäre ein toller Start, wenn der direkte Wiederaufstieg gelänge. Aber wenn das nicht passiert, bedeutet das auch nicht das Aus. Was wir wollen, ist, dass der Verein beurteilbar und berechenbar ist. Und wie wichtig das ist, das sieht man doch auch an den Ereignissen dieser Woche. Wir wollen unser Konzept offen auf den Tisch legen, so dass jeder anschließend seine Meinung sagen kann.
Warum eigentlich ist Arminia so eine besondere Form der Wirtschaftsförderung?
HINDRICHS: Es gibt keine größere Marke als einen Bundesliga-Klub. Das ist auch für uns ein Standortfaktor, wenn wir national und international Mitarbeiter anwerben wollen. Und es wäre ein Traum, wenn Arminia das Sammelbecken aller jungen Spieler der Region wäre.
Wann ist Arminia wieder raus aus der aktuellen Krise?
HINDRICHS: Nächste Woche.
Wo beendet Arminia die Saison?
HINDRICHS: Auf Platz drei. Oder höher.
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