Arminia Bielefeld
Almauftrieb
Von Wolfgang Hettfleisch
Zuletzt hatte sich Roland Kentsch auch als Autor um den deutschen Fußball verdient gemacht. Vorigen Herbst erschien sein Buch "Nicht nur Tore zählen". Der Noch-Finanzvorstand von Arminia Bielefeld beleuchtet darin die gesellschaftlichen und sozialen Aufgaben von Fußballklubs. Doch nach sieben mehr oder weniger erfolgreichen Jahren in Ostwestfalen muss eigentlich auch Kentsch zum Ende der abgelaufenen Bundesliga-Saison zu der schmerzlichen Einsicht gelangt sein, dass letztlich eben doch nur Tore zählen.
Weil die Arminen im allerletzten Heimspiel gegen Hannover eines zu wenig erzielten und auf direktem Weg abstiegen, geht es vor der am Montag anstehenden Jahreshauptversammlung hoch her im Klub. Und Kentsch, der seinen Vorstandsposten am Montag ebenso aufgeben wird wie Präsident und Aufsichtsrats-Chef Hans-Hermann Schwick seine Ämter, ist jedermanns bevorzugter Watschenmann.
Misswirtschaft am Pranger
Von Misswirtschaft ist nun die Rede. Und von einer den Klubinteressen abträglichen Machtballung bei Schwick und Kentsch. Der sitzt nicht nur im Vorstand, sondern ist zudem Geschäftsführer der ausgegliederten Lizenzspielerabteilung was er auch gern bliebe. Dass diese Ambition die ganz sicher stürmische Mitgliederversammlung überlebt, darf bezweifelt werden. Die Fan-Initiative Kritische Arminen fährt schweres Geschütz auf. "Herr Kentsch hat sich in seiner Doppelfunktion selbst kontrolliert, dabei sein eigenes Gehalt verdreifacht und zuletzt Millionen an fragwürdigen Abfindungen rausgehauen. Das ist vereinsschädigend", poltert Lutz von Rosenberg Lipinsky.
Nun ist der Sprecher der Kritischen Arminen von Beruf Kabarettist und Autor, was einen gewissen Hang zu starken Worten erklären könnte. Doch die Fangruppierung, die sich am Montag nicht nur Gehör verschaffen, sondern eigene Kandidaten in den Gremien platzieren will, weiß sich mit ihrer Kritik in guter, ja allerbester Gesellschaft. Pudding-Patriarch August Oetker, sonst kein Freund öffentlicher Auftritte und Stellungnahmen, hat sich gerade für einen überzeugenden Neubeginn beim Absteiger stark gemacht und Unterstützung in der Jugendarbeit in Aussicht gestellt falls personell ein sauberer Schnitt erfolge. Ganz ähnlich äußerten sich Schüco-Chef Dirk Hindrichs und der ostwestfälische Modezar Gerhard "Gerry" Weber.
Der scheidende Arminen-Präsident Schwick findet es durchaus erfreulich, dass die Wirtschaft in sportlicher Not Unterstützung signalisiert. "Das war immer das, wonach wir uns gesehnt haben damit man auch mal fünf Jahre durchplanen kann. Wir haben ja mehr oder weniger von der Hand in den Mund gelebt." Dass die Arbeit der jüngeren Vergangenheit, zu der auch die Neugestaltung des Stadions zählt, nun in Bausch und Bogen verdammt wird, schmeckt Schwick natürlich weniger. "Dass nach einem Abstieg die Emotionen hochkochen, muss man in Demut ertragen. Aber ich bin stolz auf das, was wir erreicht haben und hinterlasse einen wirtschaftlich grundsoliden Verein."
Bei manchem Namen, der zuletzt auftauchte, konnten einen Zweifel beschleichen, dass die Arminia das noch lange bleibt. Für den seit Jörg Bergers Ein-Spiel-Intermezzo vakanten Trainerposten wurde neben dem schon leicht nach Resterampe mümmelnden Mirko Slomka auch der unvermeidliche Lothar Matthäus gehandelt. Fürs Präsidentenamt pries sich der einstige Schalker Sonnenkönig Günter Eichberg, ganz Praktiker, gleich selbst an.
Über die öffentliche Initiativbewerbung des einstigen Privatklinik-Betreibers, der heute Bürgermeister im Eifelstädtchen Bad Bertrich ist, muss selbst der sonst so zurückhaltend wirkende Klaus Daudel lachen. "Ich habe den Herrn noch nicht kennengelernt", sagt der designierte Arminen-Präsident, der zuletzt auch Oetkers öffentlichen Segen bekam, was in "tout Bielefeld" allemal etwas bedeutet. Als Marionette der Wirtschaft gilt der frühere Chef des Einzelhandelskonzerns AVA (heute die Edeka-Tochter Marktkauf) gleichwohl nicht.
"Mit mir droht dem Klub keine Fremdbestimmung", betont der 63-Jährige seine Unabhängigkeit. Die im Arminia Supporters Club organisierten Anhänger scheint er nach einem Besuch bei dessen Vorstand hinter sich gebracht zu haben. Der Kritische Armine von Rosenberg Lipinsky stichelt freilich, der Termin beim ASC-Vorstand zeige doch nur, "dass selbst unter Vereinsmitgliedern kaum einer Daudel kennt". Nicht jeder sieht dem Kandidaten nach, dass der den Kurs der jüngeren Zeit im Aufsichtsrat ohne hörbares Murren mittrug. Dass zwei Vorstände weitermachen und andere Funktionäre nur das Gremium wechseln wollen, verstärkt noch den Eindruck, die erhoffte Zäsur könne sich als besseres Stühlerücken entpuppen.
Das muss die nähere Zukunft der Arminia aber nicht zwingend belasten. Zumal selbst Kritiker Daudel ein hohes Maß an Seriosität bescheinigen. Für die sportliche Planung ist vor allem wichtig, dass bald Ruhe einkehrt beim Bundesliga-Absteiger. "An die zweite Liga muss man sich gewöhnen. Das gilt auch für die Spieler", warnt Noch-Präsident Schwick.
Am Montag ist nicht nur Jahreshauptversammlung, sondern eigentlich auch Trainingsauftakt. Ein neuer Coach ist nicht in Sicht. Da taucht unweigerlich die Frage auf: Hat Manager Detlev Dammeier überhaupt freie Hand bei dieser Weichenstellung? Wo nicht mal klar ist, wie die neue Klubspitze aussehen wird. Habe er, sagt Klaus Daudel, denn: "Der laufende Geschäftsbetrieb darf durch so etwas nicht gestört werden." Präsidial klingen tut er schon mal.
http://www.fr-online.de/in_und…ielefeld-Almauftrieb.html