MAL EIN FUNDSTÜCK
Wenn Genossen Verträge machen
Warum niemand die AVA beherrschen kann und wie ein Schwabe den Vorstand austrickste
An Gerhard König (68 ) führt kein Weg vorbei. Wer auch immer versuchen sollte, das Bielefelder Einzelhandelsunternehmen AVA Allgemeine Handelsgesellschaft der Verbraucher AG zu beherrschen - spätestens der pensionierte Finanzbeamte König würde ihm klarmachen, daß jeder Versuch einer unfreundlichen Übernahme ein hoffnungsloses Unterfangen wäre.
Dabei besitzt König nicht einmal ein nennenswertes Aktienpaket der AVA. Er steht lediglich einem 504 Mitglieder starken Verein namens "Allgemeine Verbraucher-Aktion e.V." vor.
Dieser Verein hat das in der Satzung der AVA verbriefte Recht, einen der zehn Anteilseignersitze im AVA-Aufsichtsrat zu besetzen. Und derzeit gehört dieses Mandat Gerhard König.
Ein bedeutsamer Posten. Das Kontrollgremium der AVA ist paritätisch mit zehn Kapital- und zehn Arbeitnehmervertretern besetzt; ein unerwünschter Großaktionär kann im Aufsichtsrat niemals eine Mehrheit zusammenbekommen - solange sich Verein und Arbeitnehmerbank einig sind.
Die Klausel ist ein Überbleibsel aus der genossenschaftlichen Vergangenheit der AVA. Selbst eine Dreiviertelmehrheit in der Hauptversammlung kann das Entsendungsrecht nicht abschaffen. Nur der Verein selbst könnte das: Indem er sich auflöste oder die paar Aktien verkaufte, die ihm gehören.
So garantieren die Vereinsmitglieder, vor allem ehemalige Genossen oder frühere Angestellte der AVA, die Unabhängigkeit des Unternehmens vom Kapital. Für AVA-Vorstandschef Klaus Daudel (50) ist das eine feine Sache. Er kann praktisch machen, was er will. Vor allem braucht er keine Rücksicht auf seinen Großaktionär zu nehmen.
Seit 1993 hält die Edeka Zentrale AG 50 Prozent weniger eine Aktie an der AVA. Das reicht für eine satte Mehrheit in der Hauptversammlung. Bei jeder anderen Publikumsgesellschaft hätte Edeka mit diesem Aktienpaket beherrschenden Einfluß im Aufsichtsrat und könnte den Vorstand nach Belieben besetzen.
Nicht so bei der AVA. Edeka-Chef Horst Neuhaus darf den AVA-Vorstandsvorsitzenden Daudel allenfalls darum bitten, daß die AVA ihren Einkauf gemeinsam mit der Edeka organisieren möge.
Doch das tun die Bielefelder mitnichten. Daudel ist die eigene Unabhängigkeit bislang wichtiger als ein paar Prozentpunkte bessere Einkaufskonditionen. Allenfalls "punktuell" mag er sich eine Zusammenarbeit mit den Edeka-Einkäufern vorstellen.
Das wäre alles nicht so schlimm, wenn das AVA-Engagement wenigstens eine anständige Rendite abwerfen würde. Zwar zahlte AVA für 1994 eine Bruttodividende von 20 Mark je Aktie; für Edeka fielen 31 Millionen Mark ab.
Doch da das Aktienpaket die Edeka rund eine Milliarde Mark gekostet hat, ergibt sich nur eine magere Verzinsung von 3 Prozent - natürlich vor Steuern.
Die Dividende für 1995 fällt womöglich noch niedriger aus. Der Geschäftsgang war, so Daudel, "auf der ganzen Linie enttäuschend". Das Ergebnis sinkt.
Das hängt vor allem mit einer Beteiligung zusammen. AVA hatte 1993 ein Viertel des Stuttgarter Filialunternehmens Nanz erworben und diesen Anteil 1995 auf 40 Prozent aufgestockt. Insgesamt kostete das Paket 230 Millionen Mark. Edeka hält weitere 25 Prozent.
Der frühere Alleineigentümer Helmut Nanz hat gerade rechtzeitig verkauft. Viele viel zu kleine Läden waren nicht mehr konkurrenzfähig, und die großen produzierten mit nahezu selbstmörderischen Lockangeboten immer größere Verluste.
Die großflächigen Nanz-Märkte hat AVA inzwischen auf ihre Logos "Marktkauf", "Dixi" oder "Allfrisch" umgestellt. Doch die Ergebnisse sind enttäuschend.
Den Verbrauchern paßt offenbar die Preispolitik der AVA nicht. Die Bielefelder bieten Dauerniedrigpreise ohne Aktionen; die schwäbischen Kunden wollen aber lieber mit wechselnden Sonderangeboten umworben werden.
Die Schlappen sorgen für hohe Verluste - allein 1994 mehr als 200 Millionen Mark bei 2,6 Milliarden Mark Umsatz. 1995 wird das Defizit nur wenig geringer ausfallen.
Zu allem Überfluß haben die AVA- und Edeka-Leute auch noch dilettantische Verträge mit dem Verkäufer Helmut Nanz ausgehandelt.
AVA und Edeka müssen die Verlustbeträge entsprechend ihren Beteiligungsquoten nachschießen. Nanz, der noch 35 Prozent hält, hat es besser. Bei ihm werden die roten Zahlen nur auf dem Gesellschafterkonto verbucht.
Die Verluste muß er mit künftigen Gewinnen verrechnen, wenn sie denn irgendwann anfallen. Doch auch das kann Nanz vermeiden - wenn er rechtzeitig verkauft.
Dazu hat er jederzeit die Möglichkeit. Beim Vertragsabschluß hat er sich das Recht einräumen lassen, der AVA bis zum Jahr 2003 die restlichen Anteile zum selben Preis wie 1993 anzudienen.
Und das Beste für Nanz: Wenn er verkauft, werden die bis dahin aufgelaufenen Defizite nicht vom Kaufpreis abgezogen.
Die Verluste tragen allein AVA und Edeka.
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Aktienkurs- und DAX-Entwicklung, Umsatz, Gewinn und Kennzahlen der AVA
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manager magazin 12/1995
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