Christian Wück
Licht im Kopf
VON JÖRG HUNKE
Im Münsterland machen die Leute ungern große Worte. Wenn man beim Fußball-Zweitligisten RW Ahlen fragt, warum Christian Wück als Trainer so erfolgreich ist, bekommt man eine knappe Antwort. "Der hat Licht im Kopf", sagt Vorstandsmitglied Rüdiger Möllenhecker. Was nichts anderes heißt, als dass sie auf dem platten Land den 35 Jahre alten Wück für ein schlaues Kerlchen halten.
Wücks Arbeit in der Kleinstadt kann sich auch durchaus sehen lassen. Der Aufstieg im Sommer in die zweite Liga war schon eine Überraschung, aber dass der Verein mit dem geringsten Etat und dem kleinsten Stadion nach einem Drittel der Saison den Aufstiegsplätzen zur Bundesliga sehr nahe sein würde, das hatten auch Experten dem Klub nicht zugetraut. Nach dem Sieg am vergangenen Wochenende gegen Ingolstadt kramten Statistiker in ihren Unterlagen und fanden heraus, dass TSG Hoffenheim zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres weniger Punkte hatte als Ahlen.
Wohin Hoffenheims Weg führte, ist bekannt. Aber der Vergleich geht Christian Wück dann doch zu weit, obwohl der Mann ein Optimist sein muss, sonst hätte er längst mit dem Fußball abgeschlossen. Mit 18 galt er als eines der größten Talente in Deutschland, die Spitzenklubs wollten ihn haben. Aber immer wieder stoppten ihn Verletzungen, Bänderrisse, Knochenabsplitterungen, er musste sich sogar einer Meniskustransplantation unterziehen, mit 29 war Schluss. Ohne je deutscher Meister geworden zu sein oder ein Länderspiel gemacht zu haben. Um auf andere Gedanken zu kommen, schrieb er sich für ein Fernstudium ein, machte den Sportfachwirt.
Die Karriere
Der Spieler 9.Juni 1973 in Werneck geboren. 1988 wechselt der offensive Mittelfeldspieler zu den Amateuren des 1. FC Nürnberg. 1990 bis 1994 Profi beim 1. FCN. 1994 bis 1999 beim Karlsruher SC. 1999/2000 VfL Wolfsburg. 2000 bis 2002 Arminia Bielefeld, Karriereende als Sportinvalide. Der Trainer 2005/2006 SV Enger-Westerenger, Verbandsliga NRW. 2006 Co-Trainer RW Ahlen. Seit Juli 2007 dort Cheftrainer. Den Vergleich mit Hoffenheim beendet Wück am Telefon mit dem Satz, dass man dort andere finanzielle Möglichkeiten habe. Aber es gibt durchaus Entwicklungen, die sich vergleichen lassen. Der Trainer lässt modernen, schnellen Offensivfußball spielen, setzt auf junge Spieler, die sein System verstehen und nutzt auch unkonventionelle Mittel.
Wie vor dem Spiel in Kaiserslautern. Rund 4000 Menschen kommen in der Regel zu den Heimspielen, die Ahlener Profis wussten also nicht, wie man sich verständigt, wenn es so richtig laut wird in einem Hexenkessel. Also ließ Wück seine Spieler eine Woche lang mit Ohrenstöpseln trainieren, damit sie lernten, lauter zu schreien und sich mit Gesten zu verständigen.
Zurzeit absolviert Wück seine Ausbildung zum Fußballlehrer in Köln. Fragen der Psychologie interessieren ihn am meisten. Aber offensichtlich hat er das Geschäft schon während seiner Profizeit genau beobachtet. Es gibt Trainer, die leiden darunter, dass sie fleißigen Spielern sagen müssen, dass sie nicht im Kader sind. Wück hält das auch für die schwierigste Entscheidung des Trainers, aber eine, die getroffen werden muss. Fertig. Aus. Und große Sprüche, die irgendwann bei Misserfolg gegen ihn verwendet werden könnten, vermeidet er. Aber auch von falscher Bescheidenheit hält Wück nichts. Er hat schon zu Saisonbeginn gesagt, dass seine Mannschaft in der zweite Liga mithalten könne. Schließt sich die Frage an, ob er jetzt den Aufstieg in die Bundesliga für möglich hält? "Nichts ist unmöglich", antwortet er.
Ehrlichkeit nennt Wück als die wichtigste Eigenschaft, die einen guten Trainer auszeichnet. Aber auch Zuverlässigkeit. Da hat Wück gerade allerdings ein Problem. Die Mannschaft frühstückt am Tag nach den Spielen gemeinsam. Wer beim Bäcker vorbeikommt, bringt Brötchen mit, andere sorgen für Butter, Aufschnitt, Käse. Jeder ist mal dran. Auch der Trainer, doch der hat sich in letzter Zeit gedrückt, seine vielen Termine als Entschuldigung genannt. Noch akzeptiert die Mannschaft sein Argument. "Aber ich muss mir da mal was einfallen lassen", sagt er. Es gibt auch bei aufstrebenden Trainertalenten Momente, in denen sie nicht weiterwissen.