Wie schön ist da der Vereinsfussball! Der ganze Nationalkram, "gehört der zu uns?" "ist der integriert?" spielt kaum eine Rolle, sieht man von rassistischen Pöbeleien einiger Spinner ab. Bei der Vereinshymne muss niemand mitsingen, was die Leute privat machen juckt niemanden. Vermutlich hat das Foto mit Erdogan für Arsenal Fans auch keine tiefere Bedeutung.
Natürlich gehts beim Vereinsfußball um Kommerz. Aber der hat auch sein Gutes. Wie ein anderer, im Londoner Exil lebender Deutscher zum Siegeszug des Kapitalismus mal geschrieben hat:
"An die Stelle der alten lokalen und nationalen Selbstgenügsamkeit und Abgeschlossenheit tritt ein allseitiger Verkehr, eine allseitige Abhängigkeit der Nationen von einander. Und wie in der materiellen, so auch in der geistigen Produktion. Die geistigen Erzeugnisse der einzelnen Nationen werden Gemeingut. Die nationale Einseitigkeit und Beschränktheit wird mehr und mehr unmöglich, und aus den vielen nationalen und lokalen Literaturen bildet sich eine Weltliteratur."
Oder eben ein "Weltsport Fussball", bei dem die Sportler der einzelnen Nationen "Gemeingut" werden.
Die ganze Erbärmlichkeit der Diskussion wird an seinem Aufhänger deutlich, dem Foto mit Erdogan. Der Aufschrei an diesem Punkt ist ja nicht dadurch erklärlich, weil eigentlich alle hierzulande für die Rechte der Kurden in der Türkei eintreten oder die Drangsalierung der Opposition geißeln. Dann würden sich viel mehr Menschen z.B. über Waffenlieferungen an die Türkei aufregen. Der Aufschrei kommt daher, weil Özil mit dem Foto und den Worten "mein Präsident" für Manche Zweifel daran ausgelöst bzw bestätigt hat, ob er zu dem gehört, was man "Volk" nennt. Denn viele meinen ja, das "Volk" sei so etwas wie eine "natürliche Gemeinschaft", zurück zu führen auf die dunklen Wälder Germaniens. Sie träumen davon, dass diese Gemeinschaft Auftraggeber der Staatsgewalt ist, die für diese Gemeinschaft - und keinen sonst - zu sorgen hätte. Und wer zu dieser "natürlichen Gemeinschaft" nicht gehört, sondern seine Vorfahren am Schwarzen Meer hat, der kann für diese Nationalisten auch kein Repräsentant des deutschen Volkes sein.
Mit dem Foto und den Worten "Mein Präsident" hat Mesut Özil freilich auf die traurige Wirklichkeit des "Volkes" hingewiesen. Es ist nichts natürliches, sondern etwas ganz Banales: Volk ist das, was von einer Staatsgewalt dazu gezählt wird und von ihr regiert wird.
Das halten Träumer von germanischen Wäldern nun mal schlecht aus.
Insofern hat der Kommerz des Vereinsfussball im Vergleich zu den Blähungen des Nationalsports etwas erfrischend nüchternes.