FUSSBALL
Die Tele-Vision der Liga
Während einflussreiche Funktionäre im Poker um die Übertragungsrechte erneut einen ligaeigenen Pay-TV-Kanal fordern, bereitet die DFL einen strategischen Coup vor. Ein internes Papier zeigt, wie die Clubs künftig die Fernsehbilder aus den Stadien kontrollieren wollen
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Die aktuelle Scheindebatte um einen ligaeigenen Bezahlsender kommt der Kickerbranche nicht ungelegen. Denn sie lenkt davon ab, dass der DFL-Vorstand im Stillen ein anderes Projekt vorantreibt, um den Zugriff der Clubs auf den Fernsehmarkt zu stärken. Die Deutsche Fußball Liga, so lautet der bislang nur wenigen Experten im Detail bekannte Auftrag, soll von der kommenden Saison an in Eigenregie die Bilder in den Stadien produzieren, die dann von Sendern wie ARD, ZDF, den Dritten, dem DSF oder Premiere ausgestrahlt werden.
Die Planungen sind weit fortgeschritten. Bereits im Dezember präsentierte Michael Pfad, DFL-Geschäftsführer für den Bereich Kommunikation, den Vorstandsmitgliedern ein internes Strategiepapier. "Der eigenen Signalproduktion", heißt es in der 21 Seiten umfassenden Vorlage, komme "unter finanziellen und strategischen Gesichtspunkten eine besondere Bedeutung zu".
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Den Clubs ist nicht entgangen, dass der materielle Aufwand, mit dem die Bilder derzeit aus den Bundesliga-Arenen übertragen werden, bei weitem nicht an die Standards der englischen Premier League oder der europäischen Champions League heranreicht. Sogar Spiele im DFB-Pokal werden zuweilen mit doppelt so vielen Kameras aufgezeichnet wie ein Bundesliga-Match. Doch den Fußball-Funktionären geht es nicht nur um die emotionale Wucht der Bilder. Es geht ihnen auch um die Auswahl. Alles, was dem Image des "Premiumprodukts Bundesliga" (DFL-Geschäftsführer Wilfried Straub) schaden könnte, soll von Liga-Productions schlankweg zensiert werden. Mehr noch: Bei jedem Spiel stehe dann ein "fest zugeordneter Venue Manager" zur Verfügung, der "zusätzliche Kontrollaufgaben für die DFL" übernimmt.
Für wie wichtig der Liga-Verband den Zugriff auf die Fernsehbilder hält, dokumentiert auch das umfangreiche Exposé "DFL Bundesliga TV-Produktion", das die Geschäftsführung bereits im Mai 2002 erstellen ließ. Unter der Überschrift "Argumente Eigenproduktion" wird dort die teilweise "Steuerung der journalistischen Inhalte" hervorgehoben: "Chaoten finden keine Plattform." Ein eigener Produzent der Bilder sorge dafür, dass "keine Jagdszenen" oder "Massenaufläufe" über die Mattscheibe flimmerten. Der von der Liga erhoffte Effekt: im Falle gewalttätiger Auseinandersetzungen Nachahmer zu vermeiden.
Die DFL als Regisseur, Programmdirektor und Bilderlieferant des eigenen Produkts - für Sportjournalisten bei den Sendern eher eine Horror- als eine Tele-Vision. Eine unabhängige, kritische Berichterstattung der Fernsehschaffenden, so fürchten viele, würde weiter erschwert. Nach Ansicht des Münchner Kommunikationswissenschaftlers Josef Hackforth, der schon seit geraumer Zeit die Rollenveränderung der Medien von Sport-Berichterstattern zu Sport-Mitvermarktern und Mitveranstaltern kritisiert, besteht in diesem Fall gar eine Gefahr für die "Authentizität des Sports und des Fußballs". Es drohe eine "inszenierte Form der Sportberichterstattung", die "Nähe zur reinen PR wird immer undurchsichtiger".