Hier noch ein interessanter Bericht zum Thema "gläsener Fan" von www.10jahrebaff.de
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WM-Tickets: Reserviert für den gläsernen Fan
„Zu Gast bei Freunden“ – so lautet die Einladung zur Weltmeisterschaft 2006 an Fußballfans in aller Welt. Tatsächlich ist aber nur ein ganz bestimmter Besucher gemeint - der gläserne Fan, stellt das „Bündnis Aktiver Fußball-Fans“ (BAFF) anlässlich der Pressekonferenz zur Ticketvergabe von FIFA und Organisationskomitee fest. Um die begehrten Eintrittskarten für Spiele der WM bestellen zu können, müssen Fans zuerst einen umfangreichen Fragenkatalog beantworten, der weit über das für den Bestellvorgang Nötige hinaus geht. Wem das Losglück schließlich Tickets beschert, wird zusätzlich zum Versuchskaninchen einer neuen Überwachungstechnologie, kritisiert das Fan-Bündnis.
Obwohl bis heute, also rund eine Woche vor Verkaufsstart der Tickets, der genaue Inhalt des Fragebogens noch immer nicht bekannt gegeben wurde, ist dennoch davon auszugehen, dass dieser tief in die Privatsphäre reicht. Dabei gilt: Die Beantwortung der Fragen ist keineswegs freiwillig, denn keine Antworten bedeutet keine Karten! „Warum das schlichte Ersuchen nach Eintrittskarten Fragen zu Geburtsdatum, E-Mail-Adresse, Telefon- und Faxnummer oder gar Vereinszugehörigkeit rechtfertigen soll, will sich uns nicht erschließen“, fragt sich Jörg Höfer von BAFF. Hinzu kommt, dass völlig unklar ist, wer Zugang zu diesen Daten erhält. Das OK? Polizei und Innenministerium? Die FIFA und mit ihr die Werbepartner? Länder mit teilweise nur unzureichenden Datenschutzgesetzen? Man darf den beteiligten Unternehmen, seien es FIFA-Partner oder nationale Förderer, sicherlich ein vitales Interesse an diesen Daten unterstellen, mit denen sich mühelos Kundenprofile erstellen lassen. Nichts weist jedenfalls darauf hin, dass mit den personenbezogenen Daten entsprechend sensibel umgegangen wird. Jörg Höfer: „Wenn Fußballfans also nur die Wahl haben, teilweise sehr persönliche Daten preiszugeben, ohne zu wissen, wer darauf Zugriff hat, oder eben keine Tickets zu bekommen, wird die Verhältnismäßigkeit der Mittel nicht gewahrt und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt.“
Zusätzliche Brisanz erhält die Ticket-Problematik nach Ansicht von BAFF dadurch, dass die Eintrittskarten zur WM mit RFID-Chips (Radio Frequency IDentification) ausgestattet werden sollen. Auf diesen können verschiedenste Daten gespeichert und mit Hilfe von speziellen Lesegeräten berührungslos abgerufen werden. Zwar heißt es von Seiten der Veranstalter, dass der Chip nur aus „etwa zehn Zentimetern“ Entfernung zum Lesegerät aufgerufen werden kann und den reibungslosen Zugang zum Stadion ermöglichen soll. Technisch gesehen erlaubt die RFID-Technologie jedoch weitaus mehr: Mit entsprechend ausgestatteten und aufgestellten Lesegeräten lassen sich die Daten an verschiedenen Stellen abrufen und miteinander verknüpfen. „Dies geschieht, ohne dass der Ticketbesitzer etwas davon weiß, denn berührungslos heißt eben auch unbemerkt“, kritisiert BAFF. Auch gibt es keine Garantien, dass auf diesem Wege möglicherweise nicht auch Unbefugte an die auf dem Chip gespeicherten Daten gelangen können. Falls solche Tickets zusätzlich mit einer Zahlungsfunktion versehen werden sollten, wären künftig neben detaillierten Bewegungs- auch umfassende Kundenprofile von Fußballfans möglich. Damit wäre der gläserne und total überwachte Fan endlich Wirklichkeit, fürchtet BAFF.
Den organisierten Fans will nicht einleuchten, wieso eine potentiell derart weitreichende und gefährliche Technologie unbedingt eingeführt werden soll, um bei der WM den Stadionzugang zu regeln. Die eindeutige Identifizierung der mit RFID-Chips versehenen Eintrittskarten soll die Sicherheit in den WM-Stadien erhöhen. Dabei handelt es sich jedoch um ein sehr umständliches Verfahren, denn ob der Karteninhaber auch tatsächlich der Karteneigentümer und damit zugangsberechtigt ist, muss letztlich doch wieder manuell anhand des Ausweises überprüft werden. Zudem existieren bereits funktionierende, auch elektronische Zugangssysteme, die weit weniger missbrauchsanfällig sind. Volker Stör, ebenfalls bei BAFF aktiv, findet daher: „Die Ankündigung, dass die auf RFID-Technologie beruhenden Systeme über das Turnier hinaus den Stadien erhalten bleiben sollen, klingt wie eine Drohung an die Fans der Bundesliga.“
Das Fan-Bündnis ist sich mit Daten- und Verbraucherschützern darin einig, dass RFID-Chips nicht eingesetzt werden dürfen, solange die Folgen nicht absehbar sind und der Missbrauch persönlicher Daten nicht ausgeschlossen werden kann: „Fußballfans dürfen nicht zu Versuchskaninchen für die Durchsetzung einer fragwürdigen Überwachungstechnologie werden.“ Wer sich dennoch ab dem 1. Februar um Karten für die Weltmeisterschaft bemühen will, dem ist zu empfehlen, zumindest der Weitergabe persönlicher Daten aus dem Fragebogen zu widersprechen. BAFF fordert das OK nachdrücklich auf, eine solche Widerspruchsmöglichkeit direkt im Bestellformular zu garantieren. Geschieht dies nicht, bliebe den Fans nur der schriftliche Widerspruch per Post.
Das Bündnis Aktiver Fußball-Fans e.V. (BAFF) ist ein seit 1993 bestehender vereinsübergreifender Zusammenschluss von über 200 Fanclubs, -initiativen, -zeitungen, -projekten sowie Einzelmitgliedern. BAFF setzt sich ein für eine lebendige Fankultur mit sozialem Integrationswert, gegen Rassismus und Kommerzialisierung. – http://www.aktive-fans.de
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