Zuerst einmal freue ich mich, dass du so ausführlich antwortest und dass man auch wirklich inhaltvolle Diskussionen hier führen kann!
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Das ist schon ein wenig Wortklauberei an dieser Stelle, aber ich schließe jetzt einfach von meinen Erfahrungen (und somit einer zugegeben relativ gesehenen kleinen Stichprobe) auswärts auf eine wesentlich größere Stichprobe. Ob meine Erfahrung auf die Allgemeinheit (und zu welchem Prozentsatz) hochrechenbar ist, kann ich dir nicht beweisen und du mir nicht widerlegen, von daher behalte ich mir einfach vor von meinen Erfahrungen zu sprechen, wobei ich zugebe, dass ich möglichst versuche potentielle Brennpunkte auswärts zu umgehen. Natürlich hast du Recht, dass Fehlverhalten beiderseits vorkommen kann, das habe ich auch nie in Abrede gestellt.
Das mit der Wortklauberei, wie du es nennst, liegt in diesem Fall einfach daran, das bei Diskussionen hier in der Regel die Formulierung eines Beitrags wesentlich wichtiger genommen wird als dessen eigentlicher Inhalt...
Ansonsten kann ich deinen obigen Absatz durchaus nach vollziehen. Wir halten es was die Umgehung potentieller Brennpunkte angeht genauso...
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An dieser Stelle möchte ich kurz klarstellen: Verständnis ist nicht gleich Legitimation! Ich habe schon Situationen erlebt, wo ich wirklich Respekt vor einigen Polizisten hatte, dass sie komplett ruhig und gelassen blieben, als sie von irgendwelchen Idioten beschimpft, angeschrien und leicht angerempelt wurden. Da hätte selbst ich als Mensch, der Gewalt verabscheut, extreme Probleme gehabt an mich zu halten.
Dieses Verständnis habe ich durchaus auch. Schließlich sind wir ja nun mal alle nur Menschen. Und wenn ich hier das Fehlverhalten der Polizei anprangere, meine ich mitnichten alle Polizisten. Ich über die Jahre unheimlich viele erlebt die ihren Job sehr ruhig und souverän erledigt haben. Allerdings habe ich es auch schon anders erlebt.
Als Beispiel: Nach dem Auswärtspiel gegen Dortmund waren wir auf dem Weg zur U-Bahn. Einer von unseren Jungs und ein anderer Armine rempeln sich versehentlich an. Beide hatten den Arsch zu bis zur Unterlippe, beide pöbeln kurz n bischen rum. Im Prinzip ne Szene wie sie in jeder Stadt am Wochenende zuhauf zu beobachten ist. Sofort tritt ein Polizist in Kampfmontur, ca. 1,70 m groß aber n Kreuz wie ein Zuchtbulle, aus der Reihe. Stürmt drei Schritte auf uns zu, zeigt auf unseren Kollegen, die andere Hand schon am Knüppel und schreit uns lauthals an " Eyyyyy, was ist los mit dem?". Wir reagierten mit "Immer mit der Ruhe! Der eine geht nach rechts, der Andere kommt mit uns und alles ist gut." Er antwortete ziemlich herablassend " Das will auch hoffen!" Oder sowas Ähnliches...
In diesem Fall also statt einfach ganz ruhig zu Fragen "Jungs, kriegen wir hier ein Problem?" oder sowas Ähnliches, völlig unnötige und überzogene Aggressivität wegen einer Lappallie. Und das lässt sich auch nicht mit Stress oder Nervosität begründen. Und jetzt stelle man sich vor, es ist nicht Dortmund II sondern z.B. Münster und es trifft nicht uns sondern vielleicht eine Fangruppe, die vielleicht eh schon eine negative Grundeinstellung bezüglich Polizei hat ( sei es aus schlechter Erfahrung oder weil man es ihnen so vorlebt).
Und schon hat man die perfekte Bühne, auf der sich die Wendt's, Jäger's und Rangnick's dieses Landes wieder wunderbar mit populistischer Phrasendrescherei austoben können...
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Ja und Nein! Du kannst glaube ich Verhalten in Stresssituationen bis zu einem gewissen Grad trainieren, aber letzten Endes sind auch Polizisten nur Menschen, die zu einem gewissen Grad rein instinktiv handeln, wenn sie sich z.B. bedroht fühlen. Von daher sollte man vielleicht hier nicht die moralische Erwartungshaltung zu hoch hängen...
Natürlich ist es grundsätzlich so, das da wo Menschen arbeiten immer Fehler passieren können und werden. Entscheidend ist aber wie man hinterher damit umgeht.
Das muss aufgearbeitet werden und vor Allem müssen auch entsprechende Konsequenzen gezogen werden. Und das ist das was oft nicht bzw. nicht ausreichend passiert.
Hierzu möchte ich dann nochmal als Beispiel den Polizeieinsatz auf Schalke nennen. Hier noch ein paar Links zu dem Thema:
Einmal hier! Und hier!
Und hier der aktuelle Stand zu der ganzen Nummer!
Ich habe speziell dieses Beispiel gewählt, weil es einfach (im Vergleich zu etlichen anderen Fällen) gut dokumentiert ist und die entsprechenden Aussagen bzw. Stellungnahmen aus Quellen mit entsprechend guter Reputation kommen...
Die ganze Nummer hat schon keinen faden Beigeschmack mehr, sondern stinkt schon wie ein Gülle-Silo. Und bei solchen Vorkommnissen muss man auch als unbetroffener und friedliebender Fan zwangsläufig anfangen die Richtigkeit, Verhältnismässigkeit und Erfolg dieser ganzen Massnahmen kritisch zu hinterfragen... Das Banner welches Auslöser der ganzen Geschichte war, konnte im Übrigen nicht sichergestellt werden...
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Ich verstehe, was du meinst, glaube aber, dass hier oft Ursache und Wirkung vertauscht wird.
Siehe meine Ausführung oben...
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Ich bin kein Freund härterer Kollektivstrafen, aber würde es begrüßen, wenn überführte Straftäter auch dementsprechend hart bestraft werden würden, eben um die Allgemeinheit zu schützen.
Da gehe ich mit dir absolut konform! Die entsprechenden Strafmassnahmen sind ja schon ausreichend gegeben. Aber genau das passiert leider so gut wie gar nicht (auf beiden Seiten nicht). Stattdessen greift man Kollektivbestrafungen und installiert immer neue Einschränkungen für alle, die man dazu in der Regel noch sehr medienwirksam inszeniert...
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Das ist im Übrigen nicht nur bei diesem Thema der Fall 
Da gebe ich dir vollkommen Recht!
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Du hast auch hier meine Zustimmung, allerdings glaube ich, dass es tatsächlich einen sehr geringen Anteil an "Fans" gibt, die überhaupt kein Interesse an Deeskalation oder Kommunikation haben.
Die Bereitschaft dazu ist nicht das Problem. Das Problem ist die Art und Weise wie diese Diskussionen geführt werden. In der Regel glänzen beide Seiten mit Schlagworten, Polemik, Beleidigungen, Populistik, etc., so das vernünftige Argumentationen (die eh schon rar gesät sind) ungehört verhallen.
Das perfekte Beispiel dafür sind z.B. die Diskussionen rund um Plastik Leipzig...
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Ui, harter Tobak dein letzter Satz! Ich glaube, dass wir hier in Deutschland auch auf Grund der historischen Kausalität davon sehr sehr weit entfernt sind. Aber glaube mir, auf Ganzkörperkontrollen bei Auswärtsspielen, nur weil 5 Typen Pyro schmuggeln wollen, habe ich auch keine Lust!
Ich denke nicht das die Gefahr besteht, das es jemals wieder so wird wie zu Adolf's Zeiten. Und das ist auch gut so! Falls du darauf anspielst..
Dennoch wird man bei genauerem Hinsehen fest stellen, das dieses salonfähig machen von "Sicherheitsmassnahmen" kein Prozess ist der uns noch bevor steht. Dieser Prozess ist schon längst im Gange.
Als Beispiele seien hier nur mal die ganze NSA-Problematik und die Vorratsdatenspeicherung genannt.
Oder ganz aktuell: Alles was so rund um den G7-Gipfel abgelaufen ist. Da wurden sogar die Bürgermeister der umliegenden Dörfer seitens der CSU dazu angehalten auf die Landwirte ihrer Gemeinde einzuwirken, den Protestanten keine Ackerflächen zum Campen zur Verfügung zu stellen. Und falls sie es doch tun - und das muss man sich jetzt mal auf der Zunge zergehen lassen- diese Landwirte öffentlich zu ächten...
Interessanter Nebeneffekt der ganzen Massnahmen: Eigentlich wurden kaum ein Straftäter geschnappt bzw. kaum eine Straftat verhindert. Durch die massiven Polizeikontrollen wurden allerdings deutlich mehr illegale Flüchtlinge erwischt als das normalerweise der Fall gewesen wäre. Das war dann für die CSU direkt mal der passende Anlass die sofortige Wiedereinführung von Grenzkontrollen zu fordern...
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Nur finde ich immer Sätze wie "durch die große Polizeipräsenz entlud sich die Agression der Fans auf dem Weg zum Stadion..." ein wenig dünn und bezweifel oft, ob da die richtige Kausalität gesehen wird...
Da bin ich absolut deiner Meinung. Solche Argumente sind absoluter Bullshit. Allerdings gibt es auch genug andere Beschreibungen bzw. Stellungnahmen zu solchen Vorkommnissen. Z.B. von Fanbeauftragten mit überragender Reputation nicht nur im eigenen Verein, Journalisten, Lokal-Politikern, pensionierten Polizisten, etc., die selbst privat als Fan ihres Vereins unterwegs waren, und unverschuldet Opfer diverser Massnahmen wurden. Diese Berichte bekommt man traurigerweise im Regelfall allerdings nur zu Gesicht, wenn man aktiv danach sucht, da man damit nicht so tolle Quoten machen kann wie mit dem "Feindbild Fussballchaot".