Schalke: Interview mit Jörg Böhme - 18.11.2002 12:40
"Drei Jahre auf Bewährung - was soll das bedeuten?"
Mann mit Ecken und Kanten: Jörg Böhme.
Viel Wirbel um Jörg Böhme auf Schalke. Nach Suspendierung und Begnadigung nimmt er exklusiv im kicker Stellung.
Trainer Frank Neubarth hatte vor dem Spiel gegen Warschau am Donnerstag hart durchgegriffen und Böhme aus disziplinarischen Gründen aus dem Kader gestrichen. Grund waren Wutausbrüche und schwache Trainingsleistungen. Am Freitag wurde die Suspendierung nach einem Gespräch zwischen Vereinsverantwortlichen und Spieler aufgehoben. Manager Rudi Assauer: "Jörg kriegt noch eine Chance. Aber das muss die allerletzte Geschichte gewesen sein."
Aber wie geht es weiter? Assauer sagt auch: "Wenn man einen faulen Apfel im Korb hat, ist es vielleicht besser, ihn zu entfernen."
kicker: Sind Sie ein fauler Apfel, Herr Böhme?
Jörg Böhme: Nein. Aber zuletzt ist viel zusammengekommen. Meine Verletzungen, die mich sportlich zurückgeworfen haben. Die Enttäuschung, dass ich gegen Leverkusen nicht von Beginn an randurfte. Vor allem aber private Dinge, die mich mitgenommen haben.
kicker: Es ging nicht nur um schwache Trainingsleistungen und eine Verspätung beim Training, sondern auch um Ihre Wutausbrüche. Huub Stevens hat die toleriert, Frank Neubarth macht es nicht.
Böhme: Für mich gehören Emotionen dazu. Ich bin heiß auf jedes Spiel, sehe den Ball, das Tor und will gewinnen. Mit diesem Willen wollte ich mich zu hundert Prozent für diese Mannschaft einbringen. Wenn ich jemanden angemotzt habe, dann nicht, um ihn zu beleidigen. Mir ging es nur um den Erfolg.
kicker: Wie sind Sie in dieser Frage mit dem Trainer verblieben?
Böhme: Wir hatten unterschiedliche Auffassungen. Aber der Trainer hat ein gutes Gespräch mit mir geführt. Ich habe verstanden, dass meine impulsive Art auf manche Spieler beleidigend wirkt, insbesondere auf die, die mich noch nicht so lange kennen. Aber ich meine das gar nicht so böse, wie es von außen scheint. Trotzdem: Ich muss daran arbeiten und diesen Siegeswillen in positive Energien umwandeln.
kicker: Der Manager kritisierte, dass Sie verspätet zum Training erschienen, weil Sie 100 Kilometer entfernt in Steinhagen leben. Müssen Sie daran etwas ändern?
Böhme: Zunächst möchte ich betonen, dass ich in meiner Karriere nicht dadurch aufgefallen bin, oft zu spät zu kommen. Vergangene Woche ist es passiert, weil ich im Stau stand. Ich muss nicht umziehen. Aber ich werde öfter bei Sven Kmetsch oder bei Co-Trainer Christos Papadopoulos schlafen.
kicker: Ihr Vertrag läuft aus. Wollen Sie auf Schalke bleiben, obwohl Sie ab sofort auf Bewährung spielen?
Böhme: Das ist eine schwierige Frage. Ich hänge an diesem Verein, an diesen Fans. Hier bin ich Nationalspieler geworden. Ich habe in keinem anderen Verein so lange und so erfolgreich gespielt. Aber dreieinhalb Jahre auf Bewährung - was soll das bedeuten?
kicker: Sie werden sicherlich kritisch beäugt.
Böhme: Wer bei mir Fehler sucht, wird immer welche finden. Anders als bei einem Ebbe Sand. Ich habe nun mal dieses Image, und jetzt sind wieder viele froh, dass sie auf mir herumhacken können.
kicker: Haben Sie sich bei der Mannschaft entschuldigt?
Böhme: Ja. Ich habe gesagt, dass ich mit den Jungs Siege feiern will. Ich bin froh, dass einige antworteten: Jörg, wir brauchen dich. Es wird ja schnell vergessen, dass auch ich Anteil hatte an unseren Erfolgen.
kicker: Werden Sie trotz Ihrer Situation heute zur Nationalelf reisen?
Böhme: Ja, aber ich werde verspätet eintreffen, um mich um private Dinge zu kümmern. Das ist mit Rudi Völler abgesprochen. Ich will jetzt sportlich die Kurve kriegen - da kommt ein Knaller wie Deutschland gegen Holland in der Arena gerade richtig.
Interview: Jean-Julien Beer