Zitat von Aachener ZeitungAlles anzeigenBackhaus als Zeuge vor Gericht: Ein schweres Auswärtsspiel für den Alemannia-Trainer
90 Minuten reichten nicht aus für den Auftritt von Heiner Backhaus vor dem Schwurgericht. Im Prozess gegen den Hooligan Kevin P. wurde der Alemannia-Trainer intensiv befragt. Deutlich kritisierte er Vereinsverantwortliche.
Auf dem Weg in den Gerichtssaal: Alemannia-Trainer Heiner Backhaus (r.) mit seinem Anwalt Frank Neuß (im Vordergrund). Foto: Andreas Steindl
Oliver Schmetz, Stephan Mohne
Teilen
18.02.2025
Das Spiel dauerte genau 102 Minuten und fand vor ausverkauftem Haus statt. Um es in der Fußballsprache zu sagen. Im Fokus stand unter enormem Medien- und Zuschauerinteresse ein Fußballtrainer, nämlich Alemannia Aachens Coach Heiner Backhaus. Als Zeuge sagte er aus im Prozess gegen den Hooligan Kevin P., dem unter anderem versuchter Totschlag vorgeworfen wird. Man hätte annehmen können, dass diese Zeugenaussage nicht allzu viel Zeit in Anspruch nehmen würde. Denn Backhaus sollte zu einem eher kleineren Aspekt in diesem Verfahren sprechen. Das Gegenteil war der Fall. Der Vorsitzende Richter der Schwurgerichtskammer, Markus Vogt, ging der Rolle von Backhaus minutiös auf den Grund. Und in der Verlängerung tat das dann auch noch Oberstaatsanwältin Jutta Breuer als Anklägerin.
Im Strafprozess gegen Alemannia-Hooligan Kevin P. wird bar bezahlt
Warum Alemannia-Chef Marcel Moberz wohl nicht vor Gericht erscheint
Es ging darum, dass der Zeuge am zweiten Weihnachtstag 2023 ein Video von P. per WhatsApp erhalten und auf diese Nachricht mit „Richtig so!!!“ geantwortet hatte. Dieses Video, das im Prozess bereits veröffentlicht wurde, zeigt, wie P. in der Aachener Antoniusstraße in seiner Eigenschaft als Sicherheitsdienstmitarbeiter einen Mann brutal verprügelt. Heiner Backhaus war indes einer von mehreren Empfängern des Films. Unter ihnen auch Alemannias Aufsichtsratsvorsitzender Marcel Moberz, gegen den in diesem Zusammenhang mittlerweile ein Ermittlungsverfahren läuft, weil er es weiterverbreitet haben soll. Richter Vogt betonte zu Beginn der Zeugenbefragung, dass es hier nicht wie von der Verteidigung vorgebracht um eine „Medienspektakel“ gehe, sondern um die Aufklärung von Vorwürfen und um die Frage, ob für den Angeklagten im Falle einer Verurteilung eine Sicherungsverwahrung nach der Haft infrage kommt.
Kevin P. ist unter anderem wegen versuchtem Totschlag angeklagt. Hier mit seinem Verteidiger Gabor Subai. Foto: Andreas Steindl
Heiner Backhaus hat schon vor dem Prozess öffentlich bekundet, er habe dieses Video nie geöffnet. Das wiederholte er vor Gericht nachdrücklich. Er habe P. nur von einer Benefizveranstaltung gekannt. Fakt ist, dass der Trainer das Video tatsächlich erhielt, mit der Unterzeile: „Ich kümmere mich derweil weiter um respektlose Freier oder in diesem Fall um Diebe.“ Backhaus erklärte, er habe nur das Wort „kümmern“ gelesen und gedacht, P. sei wieder bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung. Deswegen habe er mit „Richtig so!!!!“ geantwortet. Er habe gar nicht genau hingesehen, denn er sei beim Weihnachtsessen mit der Familie bei seiner Schwiegermutter gewesen. Der Datenempfang sei dort auch schlecht. Bereits vor dem Video hatte P. an Backhaus einen Weihnachtsgruß geschickt, woraufhin der Trainer zurückschrieb: „Frohe Weihnachten, mein Freund.“ Das „mein Freund“ zeuge jedoch nicht von einer Nähe oder engen Freundschaft zu P., sondern sei eine Floskel, die in seiner Heimat gebräuchlich sei, so Backhaus: „Ich bin im Ruhrgebiet groß geworden, das sagt man Kumpel oder Freund.“ Er schickte P. auch Bildaufnahmen von seiner Tochter an diesem Weihnachtsabend. Diese habe er jedoch an etliche Adressaten gesendet. Kevin P. bedankte sich laut Chatverlauf bei Backhaus „von Herzen“ für diesen „Vertrauensbeweis“.
Vorsitzender Richter Markus Vogt zu Alemannia-Trainer Heiner Backhaus
Der Chat belegt schon zeitlich, dass Backhaus das Video nicht angesehen haben kann. Denn es erreichte ihn um 21.02 Uhr an diesem Abend. Um 21.03 Uhr wurde die Nachricht als „gelesen“ markiert und um 21.05 Uhr sendete Backhaus das „Richtig so!!!!“ Vogt: „Ich glaube Ihnen, dass Sie das Video nicht gesehen haben.“ Was der Zeuge, der in Begleitung seines Anwalts Frank Neuß gekommen war, auch noch mit seinem Handy bewies, an dem erkennbar ist, dass das Video nie geöffnet wurde. Der Vorsitzende Richter bekundete allerdings, das „Richtig so!!!!“ dennoch mit einem „großen Fragezeichen versehen“ zu wollen. Und so ging er noch einige Chats durch, die die beiden führten. Einmal ging es um eine Verabredung zum Biertrinken, die laut Backhaus dann aber nie stattgefunden habe. Backhaus bekundete, P. für seine ehrenamtliche Arbeit respektiert zu haben. Einmal antwortete der Trainer auf eine Nachricht mit „Alles klar, Maschine“, was so viel wie Kumpel bedeute. Doch Heiner Backhaus unterstrich immer wieder, niemals etwas über die Hintergründe zu P., etwa zu dessen Hooligan-Umtrieben, gewusst zu haben. Richter Vogt dazu: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihnen das alles nicht bekannt war.“
Mit Moberz gestritten
Doch Backhaus blieb dabei. Und er holte abermals zu massiver Kritik an den Alemannia-Verantwortlichen aus. Man hätte ihn, der erst wenige Monate in Aachen gewesen sei, warnen müssen, so Backhaus. Was aber nie geschehen sei. Er habe sich deswegen auch mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Marcel Moberz gestritten. Zu dem habe er ohnehin kein besonders gutes Verhältnis. So habe er auch zu einigen Dingen intern deutlich seine Meinung gesagt. Unter anderem zu manchem Post auf Social-Media-Kanälen. Auch habe er als Trainer keine Kenntnis vom Inhalt der jüngsten Pressemitteilungen auf der Klub-Homepage erhalten. Backhaus sprach von einem „zerrütteten Verhältnis“ und einer „großen Schweinerei“. Eine solche machte im übertragenen Sinn Gabor Subai als Verteidiger von Kevin P. einmal mehr aus. Er sprach ob der langen Befragung des prominenten Zeugen gar von einem „Schauprozess“. Diesen Begriff kennt man in erster Linie aus Diktaturen.
Heiner Backhaus nach seiner Zeugenaussage © Felker
Als er die Ladung zum Prozess erhielt, sei er aufgebracht gewesen, sagte Backhaus. Er habe dann Vereinsfunktionäre bei einer Talk-Veranstaltung befragt, was es denn damit auf sich habe. Erst da habe er erfahren, dass es um ein Gewaltvideo gehe. Er habe Alemannia-Aufsichtsrat und Rechtsanwalt Osama Momen an diesem Tag gefragt, wie das denn jetzt weitergehe, doch keine wirkliche Antwort erhalten. Aufsichtsrat Momen ist ebenfalls Verteidiger von P. in diesem Verfahren, befand sich während der Befragung des Alemannia-Trainers aber nicht im Gerichtssaal. Er habe sich dann selber einen Rechtsanwalt genommen, berichtete der Trainer. An diesem Punkt hakte Anklägerin Breuer wieder und wieder ein. Es müsse doch über dieses Video irgendetwas im Detail gesagt worden sein. Der Oberstaatsanwältin fehlt offenbar der Glaube, dass all das nicht weiter thematisiert worden sein soll. Was Backhaus dennoch verneinte.
Heiner Backhaus
Alemannia-Trainer
Es ging an diesem Tag bereits vor der prominenten Zeugenaussage um die eigentlich wesentlichen Dinge in dem Prozess. Nämlich unter anderem um den Vorwurf des versuchten Totschlags. Die Expertise von Professor Markus Rothschild, renommierter Rechtsmediziner an der Uni Köln, war gefragt. Er kam zu dem Schluss, dass durch die angeklagten Taten zwar bei den Opfern keine akute Lebensgefahr bestanden habe. Aber gleich mehrere davon hätten das Potenzial gehabt, lebensgefährliche Verletzungen zu verursachen. Insbesondere da, wo es Tritte mit dem Schuh gegen den Kopf, den Brustkorb oder den Bauchbereich der Opfer gab. Und das noch umso mehr, wenn diese Opfer schon wehrlos am Boden lagen.
Rechtsmediziner Markus Rothschild (l.) im Gespräch mit Henning Saß, psychologischer Gutachter. Foto: Andreas Steindl
Ebenfalls im Zeugenstand: die Verlobte von Kevin P.. Von ihr wollte Richter Markus Vogt speziell einiges zum Drogenkonsum des Angeklagten wissen. Denn der hatte zu Prozessbeginn immer wieder betont, er habe jahrelang exzessiv Kokain gepaart mit Alkohol zu sich genommen. Ohne diesen Exzess wäre es nicht zu den Gewaltakten gekommen, so der Angeklagte. Seine Verlobte bestätigte jedenfalls, dass eigentlich kaum ein Tag verging, an dem P. nicht völlig zugedröhnt gewesen sei.
Den Prozesstag prägte jedoch die Aussage von Heiner Backhaus. Dieser bekundete auch, er hätte sicher anders gehandelt, wenn er den Inhalt des Videos gekannt hätte. „Dann hätte ich das angezeigt“, sagte der Coach. Er betonte auch, dass Alemannia ein toller Verein mit großer Tradition und viel Herzblut sei, bei dem er gerne arbeite. Als Trainer. Es sei allerdings auch seit einem Jahr permanent Unruhe im Verein. Das, so darf man annehmen, wird sich zumindest in naher Zukunft angesichts all der Vorgänge und Vorwürfe auch nicht ändern. Das Handtuch werfen will Heiner Backhaus jedoch keinesfalls, wie er nach seiner Aussage auf dem Gerichtsflur später sagte: „Jeder Aachener kann sich sicher sein, dass ich hier jetzt nicht die Segel streiche.“ Und er fügte an: „Wir ziehen das hier durch. Ich bin gerne hier.“
Wow..