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18.01.2003: Kapitän mit dem Patent zum Denken
ARMINIA: 24 Stichwörterfür DSC-Mannschaftsführer
Aksu. Beim Anpfiff Schiedsrichter und Gegner begrüßen, während der 90 Spielminuten die Spielführerbinde spazieren tragen - es mag Zeiten gegeben, als Bundesliga-Mannschaftskapitäne ihre Ehrenamts-Arbeit so interpretiert haben. Bastian Reinhardt vom DSC Arminia Bielefeld macht sich viele weiter gehende Gedanken, wie auch seinem Sport-Alphabet zu entnehmen ist.
Arminia: Der Verein, in dem ich mich zu Hause fühle. Die bisher wichtigste Station in meinem Fußballerleben. Erstmals intensiv habe ich mich mit Arminia beschäftigt, als Thomas von Heesen und Armin Eck seinerzeit vom HSV zu Arminia wechselten. Obwohl ich in der DDR aufwuchs, war meine erste Autogrammkarte die eines Arminen. Für ein paar Briefmarken erhielt ich im Tausch Bild und Unterschrift des früheren Verteidigers Dirk Hupe.
Brinkmann: Ansgar ist sehr wichtig für uns, er kann Spiele entscheiden. Er ist kein einfacher Spieler. Ein sehr emotionaler Typ, der für sein Verhalten Grenzen braucht, die ihm klar aufgezeigt werden. Wenn jetzt in sein Privatleben mehr Ruhe einkehrt, werden wir in der Rückrunde einen noch besseren Ansgar erleben.
Charakter: Als Fußballer muss man viele Eigenschaften mitbringen. Talent, körperliche Qualität. Darüber hinaus ist der Charakter fast das Wichtigste. Ich habe viele Spieler kennen gelernt, die mehr Talent hatten als ich. Durch meinen Ehrgeiz habe ich es weiter gebracht als fast alle, die in meiner Jugendzeit fußballerisch höher gehandelt wurden.
Dörthe: Die Frau meines Lebens. Seit fast sieben Jahren sind wir zusammen, haben viele Höhen und Tiefen durchlebt. Das Leben als Profi ist teilweise ein Zigeunerleben. Sie hat mich auf allen Stationen begleitet, ist sozusagen mein Zuhause.
Erfolg: Viele menschliche Eigenschaften bleiben auf der Strecke, weil alles dem Erfolg untergeordnet wird. Das ist nicht immer positiv. Bezogen auf Arminia wäre der Klassenerhalt genauso ein Erfolg wie der letztjährige Aufstieg.
Fouls: Wenn ich als Abwehrspieler nur auf Fouls angewiesen wäre, würde es mich nicht zufrieden stellen. Ich versuche, Zweikämpfe fair und ehrlich zu gewinnen. In dieser Saison habe ich zwei Gelbe Karten bekommen. Beide wegen Meckerns.
Geld: Ist für jeden Menschen in unserer Gesellschaft wichtig. Ich versuche, die Bedeutung des Geldes in meinem Leben nicht zu groß werden zu lassen. Meinen finanziellen Erfolg teile ich mit vielen Menschen, die mir nahe stehen. Ich will meiner Familie und meiner Freundin so zeigen, dass mir ihre Liebe wichtiger ist als mein Geld.
Hannover: Mich verbindet viel mit meinem Ex-Verein und dieser Stadt. Verteidiger Carsten Linke ist einer meiner besten Freunde. Er hat sich nie gescheut, auch mal unbequeme Dinge anzusprechen. Das hat mich beeindruckt. Ich wünsche den 96-ern, dass sie mit uns in der Liga bleiben, damit wir noch viele schöne Derbys austragen können.
Intimsphäre: Ich habe kein Problem damit, mehr in der Öffentlichkeit zu stehen als andere. Würde ich ohne mein Wissen in meinem privaten Umfeld fotografiert, wäre allerdings Schluss.
Jux: Unsere Kartenrunde bei Auswärtsfahrten und im Trainingslager mit Rüdiger Kauf, Mathias Hain, Physiotherapeut Markus Zeyer, Detlev Dammeier und mir bringt immer jede Menge Jux und Dollerei. Nur wenn man beim "Schwimmen" zu häufig verliert, vergeht der Spaß. Wir sind alle besonders schlechte Verlierer, das bringt unser Beruf so mit sich.
Kinder: Mindestens zwei sollen es sein. Momentan ist dafür noch nicht der richtige Zeitpunkt. Dörthe absolviert in Köln eine Lehre als Maskenbildnerin. Wir haben für Kinder noch zu wenig Zeit.
Lebensqualität: Die hat man als Fußballer nur, wenn man erfolgreich spielt. Nach der Karriere bedeutet für mich Lebensqualität, wenn ich eine ähnlich sinnvolle Aufgabe finde, wie ich sie jetzt habe. Und natürlich eine Familie zu gründen und den Kindern eine vernünftige Zukunft zu bieten.
Möhlmann: Unser Trainer ist ein Mann, mit dem wir über alles reden können, auch über Persönliches. Bei Spielen wird er draußen zur Furie, was wir oft nicht verstehen können. Aber er ist ein Typ, der ganz, ganz schlecht verlieren kann, weil er sehr hohe Ansprüche an sich und die Mannschaft stellt. Möhlmann passt charakterlich gut zu Arminia und mir selber.
Nikotin: Das Rauchen ist eine Sucht, der man schnell erliegen kann. Ich habe leider schon als 14-Jähriger damit angefangen. Ich habe immer wieder versucht, damit aufzuhören, bin aber im Halbjahres-Rhythmus rückfällig geworden. Jetzt habe ich schon neun Monate ohne Zigarette geschafft und bin hoffentlich drüber weg. Rauchen ist grundsätzlich mit meinem Beruf nicht zu vereinbaren, auch nicht die halbe Schachtel, die ich täglich verbraucht habe.
Ostdeutschland: Der Landkreis Ludwigslust in Mecklenburg ist meine Heimat, dort lebt fast meine ganze Familie. Die Region blutet leider langsam aus, weil jungen Leuten keine Perspektive geboten wird.
Prämie: Durch die finanziellen Probleme des Vereins haben wir erst die Hälfte unserer Prämie für den Aufstieg ausgezahlt bekommen. Die andere Hälfte kommt im Sommer. Die Mannschaft war über diese Regelung nicht glücklich, aber es gab wohl keine andere Möglichkeit.
Quote: Ich muss meine Quote bei Standardsituationen noch verbessern. Zwei Tore und drei Vorlagen nach Frei- oder Eckstößen in dieser Saison sind für einen Spieler meiner Statur zu wenig.
Ruhestand: Ich weiß nicht, ob ich mit dem Ruhestand werde umgehen können. Ich brauche immer eine Aufgabe. Eine gesicherte Existenz für mich und meine Kinder zu haben, wäre schön. Ich weiß aber nicht, wo das sein könnte. Einen Lebensmittelpunkt habe ich noch nicht gefunden. Ansonsten werde ich wahrscheinlich noch mehr lesen, obwohl ich im Trainingslager nach "Hunde von Riga", "Mörder ohne Gesicht" mit "Die weiße Löwin" schon den dritten Mankell begonnen habe.
Schmach: In meinem ersten Jahr bei Arminia war das ein Gefühl, das ich oft erlebt habe. Wir wären in dieser Saison 2000/2001 fast aus der zweiten Liga abgestiegen. Ich habe mich damals häufig für meine eigene Leistung und die der Mannschaft geschämt.
Träume: Ich träume davon, bei der WM 2006 das Trikot der Nationalmannschaft zu tragen. Das klingt vielleicht unrealistisch. Aber als Kind habe ich auch davon geträumt, Fußballprofi zu werden, und das war lange Zeit sehr unwahrscheinlich. Warum soll es nicht auch mit der Nationalelf klappen?
Unglück: Das wäre der Abstieg aus der 1. Liga. Wenn wir verspielen, wofür wir im vergangenen Jahr hart gekämpft und gut gearbeitet haben, wäre das sogar ein Riesenunglück.
Verkehr: Bei meinen Stationen in Hamburg und Hannover war die Fahrt zum Training ein Abenteuer. In Hamburg habe ich einmal 90 Minuten für eine Strecke gebraucht, die man sonst in 15 Minuten schafft. Von meinem Wohnort Steinhagen zum Trainingsplatz sind es genau 18 Minuten. Da gibts kaum Schwankungen.
Wichniarek: Artur wird uns in der nächsten Saison fehlen. Nicht nur, weil er Tore schießt. Er schafft Freiräume für andere, weil sich die gegnerische Abwehr auf ihn konzentriert. Er ist einer der wenigen Stars, die auf Arminia aufmerksam machen. Ich wünsche ihm viele Tore auch für Hertha, nur nicht gegen seinen jetzigen Club.
Zuschauer: Unsere haben einen schlechteren Ruf als sie wirklich sind. Ich hoffe, dass ich die Zeit noch erleben darf, wo jedes Heimspiel ausverkauft ist und die Hütte wirklich brennt.