Hallo zusammen,
für gewöhnlich lese ich hier nur mit, denke aber, dass angesichts der Meldungen in der Lokalpresse ein "Augenzeugenbericht" vielleicht nicht ganz uninteressant wäre, insbesondere da ich noch unter dem Eindruck des gestrigen Spiels stehe. Dazu muss ich sagen, dass ich in dieser Saison beinahe jedes Auswärtsspiel live gesehen habe und mich nie wirklich pro oder contra Ultras positioniert habe. Ich denke, dass man grundsätzlich die positiven und negativen Dinge schon differenziert betrachten muss, und, dass wir insgesamt im Vergleich mit anderen Fanszenen (noch) recht gut dastehen.
Ich befand mich gestern in relativer Nähe dieser Gruppierungen, vertikal betrachtet aber immer noch recht mittig im Block. Nachdem man sich fünf Minuten lang unter der großen Fahne umgezogen hatte, wusste jeder, was gleich passieren wird - war ja auch nicht das erste Mal. Was ich (abgesehen von der mir nicht verständlichen "Faszination" Pyrotechnik im Allgemeinen) insbesondere nicht verstehen kann, ist, dass man sich anschließend im kompletten Block verteilen musste und nicht einfach im vorderen Bereich geblieben ist. So brannten im Umkreis von zwanzig Metern sicher ein Dutzend Bengalos neben völlig "normalen" Fans. Die Hitzeentwicklung war schon relativ extrem und immer wieder sind Glutfetzen auf die in unmittelbarer Nähe stehenden Menschen geflogen - es gab Brandlöcher in Jacken; Pommesschachteln auf dem Boden haben Feuer gefangen und mussten ausgetreten werden. Ich persönlich habe da keine Panik bekommen, kann mir aber vorstellen, dass die Aktion gerade bei sporadischen Stadionbesuchern, Frauen und Kindern einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat. In Sachen Dialog mit den Fans hat man sich dadurch wieder die Gesprächsgrundlage verbaut. Das ist besonders schade, da ich die Stimmung gestern trotz alkoholfreien Bieres und der entspannten Tabellensituation über weite Strecken richtig gut fand, wenngleich das minutenlange Gegner-Bashing mit unverständlicher Schadenfreude ziemlich ermüdend war. Das hätte man ruhig reduzieren und sich stattdessen auf den Support der eigenen Mannschaft fokussieren können. Wahrscheinlich wollte man damit unseren neuen "Flirt" aus der Landeshauptstadt beeindrucken.
Zum Thema Pyrotechnik im Allgemeinen: Sieht es schön aus? Kann schon sein. Hat man es schon tausend Mal gesehen? Ganz bestimmt. Mir braucht niemand erzählen, dass Fußballfans Pyrotechnik aus ästhetischen Gründen so glorifizieren. Es geht um Provokation des Gegners, um Machtdemonstration, um den Reiz am Verbotenen, idealerweise verbunden mit möglichst hoher medialer Aufmerksamkeit (Montagabendspiel). Ebensowenig muss man sich vormachen, dass eine Legalisierung vom (kontrollierten) Abbrennen von Feuerwerkskörpern im Stadion verhindern würde, dass sich die entsprechenden Herrschaften neue Wege der Konfrontation suchen.
Ein Patentrezept zur Vermeidung habe ich auch nicht. Eine pauschale Preiserhöhung für alle Auswärtsfahrer ist dabei genauso grotesk wie der Vorschlag, dass normale Fans in solchen Fällen eingreifen sollen. Soll ich nun einem Maskierten, der zwei brennende Fackeln in der Hand hält, versuchen gut zuzureden? Oder ihm gleich auf die Mappe hauen oder ihm die Teile aus der Hand schlagen? Man sollte da schon bedacht sein, dass alles "kontrolliert" zu Ende abbrennt und niemand zu Schaden kommt. Mindestens aber würde ich mir seitens des Vereins eine deutlichere Positionierung wünschen, als die Vorfälle im Spielbericht und am Tag darauf einfach unter den Tisch zu kehren.
Das Wichtigste zum Schluss: alles Gute der jungen Dame, die mit Rauchvergiftung im Krankenhaus liegt. Zum Glück nur ein Opfer, aber eben genau eines zu viel, um dieser Thematik irgendetwas Positives abzugewinnen.