Auch Bielefeld kommt manchmal gefährlich vor’s Schalker Tor, doch die Fernschüsse gehen vorbei, landen auf dem Parkplatz. Zum Glück stehen dort einige Autos, die ruhrgebiets-typsich tiefer gelegt sind, und also muss niemand unter dreckige Fahrwerke kriechen, um das teure Leder zurück zu holen.
Meine Holde Hellenin meint „Ist dir schon aufgefallen? Die reden heute kaum miteinander?“, und ich lächle über ihr Möchtegern-Expertenwissen, als Elgert schon von der Schalker Bank aufspringt und in’s Feld blärrt: „Ihr müsst viel mehr miteinander sprechen !! Verantwortung übernehmen !“. Manchmal ist mir mein Biest unheimlich. Ich schicke sie erstmal weg, um am Grill nach dem Rechten zu sehen. Sie grinst über beide Ohren als sie geht, und das hat sich noch nicht geändert als sie mit zwei grossartigen Leckereien mit Senf wieder zurück ist.
Geändert hat sich was anderes: Der Spielstand.
Bungert fängt vor’m eigenen Strafraum einen Ball ab, leitet direkt weiter zu Baumjohann, der seinen Wendetrick an der Mittellinie vollzieht und dann vier Verteidiger um- und ausspielt, Glück hat, als der Ball von einem Verteidiger wieder zu ihm zurück prallt, er zuletzt auch den Torwart austanzt und aus drei Metern zum 2:1 einschiebt. Klasse gemacht.
Jetzt läuft das kleine Mittelfeld-As zu grosser Form auf, verteilt die Bälle nach links zu Boenisch, nach rechts zu Heppke. Altin spielt derweil zurückgezogen im Mittelfeld, sieht von dort, wie Boenisch mehrfach den Flügel entlang seinen Gegenspielern wegspurtet und Flanken an den kurzen Pfosten schlägt. Leider ist er zu schnell für seine Mitspieler.
Jetzt muss bald das 3:1 fallen, denkt man, aber stattdessen kommt Bielefeld per Zufall zu einer Riesenchance: Ein Katastrophenpass im Mittelfeld und der gegnerische Stürmer hat freie Bahn, scheitert am herausstürzenden Neuer.
Mit einem knapp über die Latte gezogenen Freistoss von Heppke endet die erste Halbzeit. 2:1, verdient, aber das wird noch ein schwerer Kampf.
Inzwischen ist auch Tim Hoogland da, und schaut seinen früheren Mannschaftskameraden zu. Wir dösen in der Sonne und sehen amüsiert zu, wie eine vielleicht Dreijährige im Schalke-Trikot den Bielefelder- und Schalker Ersatzspielern das Leben schwer macht, weil sie hinter jedem Ball herrennt und dadurch deren Aufwärm-Programm ungewohnte Übungen hinzufügt.
Zur zweiten Halbzeit läuft jetzt Bayram anstelle von Kisyna als rechter Aussenverteidiger auf, und er wird hervorragend spielen, keine Gelegenheit auf dieser Seite mehr zulassen. Doch nach einer verpassten Schalker Chance – ein Boenisch-Freistoss – kommt erstmal nur noch Bielefeld. Sie sind am Drücker, machen zwanzig Minuten lang das Spiel. Grembowitz rettet in höchster Not. Elgert ruft „Jetzt rafft euch doch mal wieder!“, aber offenbar hören die Falschen auf ihn: In der 66.Spielminute fällt der Ausgleich durch einen Klasse-Sturmlauf von Janjic. Flach aus 17 Metern schlägt der harte Schuss im Eck ein.
Elgert wechselt Durmaz für Kilian ein. Dessen Position als Aussenverteidiger muss jetzt Boenisch übernehmen, Durmaz geht ins Mittelfeld. Mmmh. Ob das so gut ist? Der Bielefelder Kapitän rüft beim Wieder-Anstoss seinen Leuten zu „Wir ham’s drauf ! Wir ham’s drauf !“, und kaum hat er sich versehen, schon „ham’ses drin“. Das Leder im eigenen Netz nämlich. Vom Anstoss weg läuft der Ball zu Kunert, der setzt Altin ein, und wir sind sicher, dass er den Ball aus diesem Winkel nicht am Torwart vorbei bekommen wird, schafft er aber trotzdem. 3:2 für Schalke, direkt im Gegenzug!
Na, jetzt muss der Widerstand doch gebrochen sein, oder? Schalke spielt wieder. In der 70. wird eine tolle Kombination mit Doppelpass Baumjohann-Heppke fälschlicherweise wegen Abseits abgepfiffen. Schade. Dann spielt Boenisch einen Katastrophen-Pass in der eigenen Abwehr, aber Neuer rettet. Überhaupt sieht Boenisch hinten lange nicht so sicher aus wie es Kilian tat, offenbar hat er sich an’s Stürmen inzwischen gewöhnt.
Bielefeld gibt nicht auf, drückt und spielt nach vorne. Von Schalke kommt nicht mehr viel, aber dann, in der 78.Minute, steht der Schiedsrichter einem Angriff der Arminen im Weg. Eine Flanke prallt von seinem Rücken ab zurück in’s zentrale Mittelfeld, wo Heppke den Ball aufnimmt und nach vorne stürmt – nur noch ein Verteidiger und der Torwart sind vor ihm. Genau im richtigen Moment legt Heppke nach rechts zum mitgelaufenen Baumjohann, der umspielt den Torwart, verlädt den auf die Linie zurückgeeilten Verteidiger und schiesst zum 4:2 ein.
Glückliches Tor - aber super gemacht. Jetzt müssen die Bielefelder doch aufgeben ! Tun sie aber nicht. Schalke verteidigt mühsam, und Bielefeld stürmt mit viel Einsatz. Manchmal zuviel, denn einer der Weissen übersieht im Eifer des Gefechts das Geländer hinter der Auslinie und muss behandelt werden. Elgert bringt Perras für Altin, wohl hoffend auf ein Kontertor, aber nun fehlt Altin im Mittelfeld, und die Lücke nutzt Bielefeld zu noch grösserer Überlegenheit.
Vier Minuten vor dem Ende dann gelingt Janjic sein zweites oder gar drittes Tor, nach einer Traum-Kombination mit mehreren Doppelpässen durch die Schalker Abwehr. 4:3 nur noch, und jetzt wird „Alles-oder-Nichts“ gespielt.
„Ja, nimmt denn endlich mal einer da hinten die Verantwortung ?!“ tobt Elgert, sieht kurz darauf entsetzt zu, wie Baumjohann sich links durchdribbelt, am Torwart vorbei auf den völlig freistehenden Perras legt und dieser aus fünf Metern das leere Tor verfehlt. Noch zwei Minuten. Baumjohann geht nach grossem Spiel vom Platz, Karabacac kommt für ihn.
90 Minuten vorbei. Den Zuschauern stockt der Atem, als Neuer in höchster Not den Ausgleich verhindert. Elgert ist stinksauer „Mario (Klinger) ! Mach das Mittelfeld zu ! Hinten !! Wo bist Du ?!“, aber Mario hört nicht. Er rennt nach vorne, links von ihm führt Boenisch den Ball, wird hart genommen, geht aber trotzdem vorbei. Drei Schalker und ein Bielefelder laufen auf’s Arminen-Tor zu, die Flanke kommt und der Bielefelder knallt die Kugel haarscharf am eigenen Lattenkreuz vorbei zur Ecke. Die wird von Perras geschlagen, und Klinger nimmt sie auf, knallt volley auf’s Tor. Der Keeper lenkt den Ball an die Latte, und Mario Klinger geht in die Knie, nickt das Leder über die Linie. 5:3. Schlusspfiff. Sieg.
Oha. Das war ein harter Kampf. Ein klasse Spiel. Elgert hält Manöverkritik auf dem Platz, und wir atmen durch. Neben uns der Schalker mit der “7“ auf dem Trikot und „Heulsuse“ obendrüber wird wohl genauso gerne wiederkommen wie wir.
Aus den Büschen hinter uns hoppelt ein Hase, zu spät, hat alles verpasst, aber mich erinnert er an was, und natürlich gibt’s jetzt nochmal Bratwurst, schmeckt eh besser.
Wir haben über zwei Stunden Zeit bis zum nächsten Spiel, sehen den Arminen-Bus verzweifelt rangieren, um vom kleinen Parkplatz herunter zu kommen, sehen Kleppinger kommen und Elgert gehen. Der trägt eine Metall-Pinwand, auf der er Spielzüge verdeutlicht, und hält Alexander Baumjohann an, der gerade mit zwei Groupies gehen will. Die Mädels warten in Respekts-Entfernung und Elgert und Scheer reden neben dem „Teutonia Schalke-Nord“-Schild eine Viertelstunde lang auf ihren Jungprofi ein. Gibt wohl noch was zu klären, da lässt man sich auch nicht von einem Opa stören, der auch warten muss, bis er das Autogramm des 17jährigen in seine saubere Mappe aufnehmen kann.
Das wird eine spannende Saison dieses Jahr. Diesmal, anders als im letzten Jahr, scheint die Offensive das Prachtstück der A-Jugend zu sein. Und da die meisten aus dem jüngeren Jahrgang sind, wird man zwei Jahre lang zusammen bleiben können. Das verspricht viel Gutes.