Dazu ein Interview aus der Hamburger Morgenpost. mopo.de
HSV | 18.10.2004
Piecke: Wir haben ihn auf dem Gewissen...
Schlussmann redet Klartext - die Mannschaft allein sei Schuld an Toppis Entlassung
Es war ein Spiegelbild der zuvor gezeigten Leistung. Der Großteil der HSV-Profis verschwand nach dem Bielefeld-Kick durch den Hinterausgang aus der AOL Arena. Wortlos, natürlich. "Das ist ganz schwach", merkte Martin Pieckenhagen an. Und stellte sich. Mit einer Vehemenz, die der HSV so noch nicht erlebt hat. Wenige Minuten nach dem Abpfiff hatte der Keeper seine Teamkollegen in der Kabine aufs Äußerste kritisiert. Gegenüber den versammelten Medienvertretern legte er nach.
MOPO: Welche Stimmung herrschte nach dem Spiel in der Kabine?
Pieckenhagen: Es war wie immer. Nach verlorenen Spielen sitzen wir da, trallala, und belügen uns selbst. Da wird gesagt, wir hätten ja eigentlich gut gespielt aber eben nicht gewonnen. Die ganze Scheiße setzt sich Woche für Woche fort.
MOPO: Die Lage ist dramatisch.
Pieckenhagen: Vielleicht ist es ja ganz gut, dass wir jetzt auch mal zuhause einen mitbekommen haben. Und jeder, der ehrlich ist, muss erkennen, dass selbst unsere sechs Punkte äußerst glücklich zustande kamen. Dieses letzte Spiel war sogar eine Offenbarung. Es muss ja einen Grund geben, dass der Gegner immer gewinnt und wir verlieren.
MOPO: Und der wäre?
Pieckenhagen: Ich sehe zuwenig Leidenschaft bei Einigen. Aber wenn der Trainer dann einen kritisiert, sind wir immer schnell dabei, uns zu rechtfertigen. Ich habe keinen Bock mehr auf diese Muschelei. Es kann nicht sein, dass man nach so einem Spiel gleich wieder zur Tagesordnung übergeht. Im Training gibt es immer nur wenige, die alles geben. Aber wer da nicht 100 Prozent gibt, kann sich nicht auf ein Spiel einstimmen. Bei uns sind immer nur drei, vier Spieler mit dem Herzen dabei.
MOPO: Was ziehen Sie daraus für Schlüsse?
Pieckenhagen: Ab dieser Woche wird bei mir ein anderer Wind wehen. Mir ist langsam alles egal. Ich will hier nicht mehr mit jedem Gut Freund sein. Wir müssen reden. Über alles.
MOPO: Wie ernst steht es um den HSV?
Pieckenhagen: Wir stehen als gesamter Verein vor dem Abgrund. Mit sechs Punkten. Das kann nicht unser Anspruch sein. Wenn das der Anspruch eines Einzelnen ist, dann soll er seinen Vertrag zerreißen und gehen.
MOPO: Gehen muss stattdessen der Trainer.
Pieckenhagen: Und der lebt Fußball. Toppi hat alles versucht. Und wir treten ihm Woche für Woche in den Hintern. Am Karriereende können wir uns alle den Namen Toppmöller auf die Visitenkarte schreiben. Und sagen, dass wir den auch abgesägt haben.
MOPO: Und das zuletzt sogar gegen einen Aufsteiger ...
Pieckenhagen: Ja, man muss doch nur mal sehen, gegen wen wir hier gespielt haben - gegen Arminia Bielefeld! Das soll nicht überheblich klingen, aber wir haben doch ganz andere Ansprüche, wir wollen doch nach oben. Da kann man sich doch nicht von Bielefeld aufhalten lassen!
MOPO: Ist der HSV dieser Tage überhaupt eine richtige Mannschaft?
Pieckenhagen: Das ist sicher ein Thema. Momentan sind wir keine Mannschaft. Wir erzählen immer, wir seien eine. Aber da fehlt noch einiges zu.
MOPO: Sie sagen, dass nicht jeder Profi alles gebe. Wie ist es um den Charakter des Teams bestellt?
Pieckenhagen: Das müssen Sie diejenigen fragen. Aber ich werde neue Wege gehen. Ich will mir nicht den Vorwurf gefallen lassen, dass ich nicht alles versucht hätte. Ich war in letzter Zeit viel zu ruhig.
MOPO: Sie sind in Sorge ...
Pieckenhagen: Wenn das Gelutsche nicht aufhört, werden wir am Ende der Saison 20 Punkte haben und wissen gar nicht, warum wir abgestiegen sind.
MOPO: Den Fans reicht es schon lange. Haben Sie Verständnis?
Pieckenhagen: Ich verstehe, dass sie uns niederbrüllen. Was wir hier nun schon seit Wochen abliefern, kann nicht unser Ernst sein. Wir sind hochbezahlte Profis.