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Mamas Tränen folgt Lachen
FUSSBALL: Marcio Borges erlebt ein glänzendes Comeback in Arminias Abwehr
Bielefeld. Marcio Borges ist ein zufriedener Mensch. Gattin Luciane und Söhnchen Marcio (7) sind aus Rio de Janeiro zu Besuch, und sportlich läuft es für den 30-Jährigen bestens. Nach seinem Comeback zur Rückrunde bietet der Verteidiger Woche für Woche starke Vorstellungen. Arminia möchte jetzt sogar mit Borges (gesprochen: Borjes, mit dem j wie in Journalist und Betonung auf der zweiten Silbe) vorzeitig über das Jahr 2004 hinaus verlängern. Im Gespräch mit Peter Burkamp erzählt Borges vor dem Heimspiel gegen 1860 München, Samstag, Anstoß 15.30 Uhr, vom Leben in Brasilien und Arminias Chancen im Abstiegskampf.
Kurz vor Ostern fällt Schnee in Bielefeld. Bayern-Stürmer Giovane Elber kriegt bei solchem Wetter Depressionen und denkt an einen Wechsel nach Spanien. Wie stark friert Marcio Borges?
MARCIO BORGES: Wie alle Brasilianer mag auch ich die Kälte nicht. Aber wenn wir trainieren oder spielen, macht es mir nichts aus. Langsam darf es jedoch ruhig etwas wärmer werden, denn die Leute sind dann doch spürbar besser drauf.
Viele Ihrer Landsleute fallen regelmäßig durch das Überziehen des Urlaubs auf. Woher rührt Ihre beinahe deutsche Pünktlichkeit?
BORGES: Ailton oder Elber verdienen Millionen, die können sich die Strafen eher leisten als ich. Nein, Spaß beiseite. Ich habe keinen Grund, zu spät zu kommen und bin vom Typ her zuverlässig und korrekt.
Was vermissen Sie am meisten an Ihrer Heimat?
BORGES: Natürlich meine Frau und meinen Sohn Marcio, denn ich sehe sie nur noch in den Ferien. Überhaupt fehlt mir die ganze Familie sehr, auch der Strand und das wärmere Klima.
Eineinhalb Jahre lebte Familie Borges in Bielefeld. Warum ist Ihre Frau mit dem Jungen zurück nach Brasilien gegangen?
BORGES: Das Leben in Bielefeld war okay. Sie wären auch gern geblieben, aber ich hatte mir Sorgen um die Zukunft meines Sohnes gemacht. Es ist wichtig, dass er eine gute Ausbildung bekommt, und ich wollte, dass er nichts verpasst. Und dann kann meine Frau vor Ort besser unsere Angelegenheiten regeln.
Wie sieht Ihr Leben aus, wenn Sie zu Hause in Rio de Janeiro sind?
BORGES: Zusammen mit der Familie zu sein, ist das Größte. Ich habe viele Verwandte, und wenn wir mit Freunden feiern, kommen schnell einige dutzend Menschen zusammen. Meistens treffen wir uns bei meiner Mutter. Es gibt bei uns eine Tradition, das heißt so viel wie ,ein Churrasco‘ geben. Dann gibts Fleischspieße und kaltes Bier, Sambamusik und Tanz.
Welche Rolle spielt der Fußball in Brasilien und in Ihrer Familie?
BORGES: Ich stamme aus eher ärmeren Verhältnissen. Dann ist der Fußball für viele Brasilianer die große Chance auf ein besseres Leben. Das war es auch für mich. Ich habe auf der Straße angefangen, hatte nichts anderes als Fußball im Kopf. Dann bin ich zu Botafogo und hatte als 18-Jähriger einen Stammplatz in der Erstligaelf. Als Profi im Ausland verdiene ich im Vergleich zu vielen Menschen in Rio eine Menge Geld. Ein Arbeiter muss mit rund 80 Euro im Monat auskommen. So ist es mir möglich, meine Familie zu unterstützen. Wenn irgendjemand ein Problem hatte, war ich da. Das gilt auch heute noch.
Was planen Sie für die Zukunft nach der aktiven Laufbahn?
BORGES: Wenn es möglich ist, möchte ich noch mindestens fünf Jahre spielen – vielleicht auch bei Arminia. Mal sehen, was passiert. Für die Zeit danach gibt es einige Ideen, aber noch nichts Konkretes. Vielleicht machen wir in Rio irgendein Geschäft auf, oder investieren in Immobilien. Trainer zu werden, mag ich nicht. Wenns vorbei ist, will ich nicht mehr auf dem Platz stehen, höchstens als Talentsucher.
Würden Sie Ihrem Sohn empfehlen, Fußballprofi zu werden?
BORGES: Mein Marcelinho hat einen ganz anderen Start als ich. Da es uns besser geht, kann ich ihm alles ermöglichen. Er wird eine Ausbildung machen und muss nicht auf die Karte Fußball setzen, so wie tausende andere, von denen doch nur die wenigsten durchkommen.
Wird in Brasilien registriert, dass Sie eine starke Rückserie in der Bundesliga spielen?
BORGES: Die Leute, die es wirklich interessiert, wissen, dass ich in der Bundesliga spiele. Aber ich bin alles andere als ein Star in Rio. Darüber bin ich auch froh. Ich wollte nie ein Star sein und bin schon zufrieden damit, dass es mit dem Fußball geklappt hat.
Dabei hing Ihre Karriere schon zweimal am seidenen Faden. Jeweils zu Beginn der Erstligaserien 1999 und 2002 erlitten Sie schwere Verletzungen. Wie haben Sie diese Rückschläge verkraftet?
BORGES: Es war ein Riesenschock für mich. 1999 musste ich erstmals überhaupt in meiner Laufbahn an Knie und Schienbein operiert werden. Meine Mutter hatte große Angst und am Telefon viel geweint, Schließlich hing für die Familie einiges von meiner Gesundheit ab. Ich habe später immer an die Tränen meiner Mutter gedacht und mir auch nach dem Mittelfußbruch im vergangenen Sommer gesagt, dass es irgendwie weitergehen muss. Ich habe gebetet für die Familie, für Gesundheit und die Mannschaft.
Hat die Mannschaft göttlichen Beistand im Abstiegskampf nötig?
BORGES: Wir haben alles selbst in der Hand. Sieben Mal müssen wir 90 Minuten laufen und kämpfen. Wenn das alle machen, sollte es mit dem Ligaerhalt klappen. Wichtig ist die nötige Konzentration. Auch im Aufstiegsfinale vor einem Jahr haben wir uns super konzentriert und deshalb unser Ziel erreicht.
Die Münchner werden möglicherweise abwartend spielen. Kann Arminia die nötige Offensive entfachen, und wird die Mannschaft mit dem Druck fertig?
BORGES: Egal, ob 1860 nun jenseits von Gut und Böse ist, oder noch Ambitionen hat: Dieses Spiel wird so schwer, wie die anderen sechs auch. Aber ich habe keine Angst um uns. Wir werden in jedem Spiel unsere Chancen bekommen. Wichtig ist nur, dass wir sie auch nutzen.
Gibt es ein Geheimrezept, oder warum ist die Abwehr von Arminia in dieser Serie noch stärker als im vergangenen Jahr?
BORGES: Es liegt sicherlich an unserer Trainingsarbeit und dass wir sehr konzentriert spielen. Dazu profitieren wir auch von der guten Defensivarbeit der Mittelfeldspieler. Und nicht zuletzt gibt uns Mathias Hain mit seinen guten Leistungen die nötige Sicherheit.
Wird das Wechseltheater um Momo Diabang zu einem Problem für die Mannschaft?
BORGES: Ich weiß nicht, wie Momo damit klarkommt. Kann sein, dass die Fans gegen ihn sind. Ich hoffe nur, Momo erkennt, dass er Arminia weiterhelfen muss. Das erwarte ich einfach von ihm. Ich halte die Abwehr zusammen, und er muss für mich und die Mannschaft vorn die Tore machen.
Ich hoffe mal wir haben noch lange Freude an ihn. Sogar seine manchmal etwas riskante Spielweise hat er mittlerweile abgelegt. Ich würde ihm mal wieder ein Tor gönnen, so wie gegen Ahlen letzte Saison, als er mir im Herzschlagfinale ziemlich früh, den Puls doch entscheidend gesenkt hat.